< PreviousDer wienerische 70 | REGAL 06/07-2022 BT_Lugner.indd 7001.07.22 09:42ING. RICHARD LUGNER am Branchentreff 2022 mit Moderatorin Petra Rudolf VON MANFRED SCHUHMAYER → Vom Baumeister zum Zentren-Chef → Über die großartige Karriere von Baumeister Richard Lugner Er ist einer der umtriebigsten Handels-Unternehmer des Landes. Richard Lugner, 89, Zentrumbetreiber, Hobby- Schauspieler und noch täglich mit Dynamik und Eifer im Büro seiner Lugner City. Cha- peau. Im Auf und Ab seines Lebens erschien Lugner erst mit über 55 Jahren in der Welt Herr Lugner Ing. Richard Lugner erhielt beim REGAL Branchentreff für sein Lebenswerk das Goldene REGAL BILLA PLUS zählt zu den Ankermietern in der Lugner City 06/07-2022 REGAL | 71 BT_Lugner.indd 7101.07.22 09:42des Handels, davor war er Baumeister. 1990 eröffnete er in Wien die Lugner City, ein überaus modernes, innerstädtisches Einkaufszentrum mit 120 Geschäften. Heute bringt er es, in einem von hartem Wettbewerb und Online- Konkurrenz gezeichneten Um- feld, auf über sieben Millionen Besucher und auf rund 130 Mil- lionen Umsatz. Wirtschaft und Society. Ri- chard Lugner hängt, trotz seiner bald 90 Jahre, mit Herz und Hirn an seinem Geschäft. Er ist ein Vollblutunternehmer, der in TV-Auftritten, auf So- ciety Events, in den Klatschspalten des Boule- vards oder am Opernball gerne im Stil eines Nest- roy`schen Lebemannes den feinen „Herrn Mörtel“ spielt. Doch der Schein trügt oft. Lugner ist in Wahrheit ge- trieben von Ehrgeiz, Fleiß und dem Ziel, möglichst viele Kunden für seine City zu gewinnen. Lugner weiß, was sein Publikum will. Und das Publikum ist seine Zielgrup- pe. Mit dieser Strategie ist Lugner ein Mar- keting-Champ, der – bewusst oder ins- tinktiv – sein eigenes Testimonial ist. Wann immer er in der Öffent- lichkeit kann, posaunt er den Lug- ner-City Slogan hinaus: „Gemma Lugner schaun!“. Der Aufstieg. Sein Ehrgeiz, dieses Streben nach Erfolg, kommt wahrscheinlich aus harten Ju- gendtagen in einer von Armut und Aufstiegskampf geprägten Nach- kriegszeit. Sein Vater, ein Rechts- anwalt, kehrte von der russischen Front 1943 nicht mehr zurück. In dieser Härte der damaligen Zeit schöpfte er Kraft und Saft für einen Weg nach oben. HTL-Matura 1953, Hochbau Ingenieur und die Bau- meisterkonzession 1962. Danach gründete er eine Baufirma. Rund 30 Jahre blieb er im Bau-Geschäft, erreichte mit einer Firma eine beachtliche Größe, ehe es ihn Ende der 80er in den Handel ver- schlug. In der Lust am Bau entdeckte er Lust am Handel. Flexibel war er immer. Im Beruf und im privaten Leben. BAUMEISTER ING. RICHARD LUGNER www.teslabatteries.com/at info@teslabatteries.at BT_Lugner.indd 7201.07.22 09:42Die Lugner City hatte ihn als architekto- nische Herausforderung interessiert. Ein Einkaufszentrum mit Gastroschiene, Ser- vicestationen, Zentrum-Bühne, Kino und Volksbücherei. Kein Zentrum auf der grü- nen Wiese, sondern ein Zentrum mitten in einem innerstädtischen Wohngebiet. Eine Art Nahversorgerzentrum. Das war eine bauliche und architektonische Herausfor- derung, die er glänzend meisterte. Marke und Werbung. Und die Überra- schung: der Bautechniker, Technischer Rat, Baumeister Ing. Richard Lugner wur- de als Zentrumbetreiber gleich auch zur Markenpersönlichkeit für seine eigene Marke. Er entdeckte und nütz- te das Fernsehen als Werbemacht, tat in Serien als Darsteller auf und wurde damit populär. Da scheute er nicht, bis an die Grenzen der Wurstelei zu gehen. Als „Herr Mörtel“ aus dem Volk spürte er instinktiv, wie er „Volk“ als Kunden gewinnen könnte. Hollywood am Opernball. Einmal im Jahr gibt es auf der Bühne im Her- zen der Lugner City ein Marketing -und Werbespektakel der besonderen Art. Da erscheint der berühmte Opernball- Gast auf der Bühne. Ein Hauch von Holly- wood und großer Glitzerwelt in der Wiener Vorstadt. Das begeistert Publikum und Schauer, ebenso wie Presseleute und TV- Reporter aus Nah und Fern. Herr Lugner führt perfekte Regie. Lange Jahre wurde er wegen dieser Umtriebigkeit am Opernball von Snobs, Bobos und der sogenannten „besseren“ Gesellschaft belächelt. Das störte Lugner nicht. Er wusste, seinem Pub- likum gefällts und das Publikum ist die Zielgruppe. Punkt. Im Auf und Ab seines Leben s gab es Höhepunkte, aber auch Talfahrten. 2003 wurde die Lugner City nach finanziellen Turbulenzen mittels einer Sale-Lease-Back- Variante der Volksbanken Gruppe übereig- net. Das Geschäft lief gut. Zehn Jahre später kaufte Lugner seine City zurück. Politik. So mitten drinnen im Auf und Ab seines bunten Lebens kandidierte er zwei- mal zur Wahl des Bundespräsidenten. Einmal erreichte er fast zehn Prozent. Ein stolzes Ergebnis für einen Polit- Outsider. Ja, bunt war und ist auch sein Le- ben. Fünf Ehefrauen und noch immer auf Suche. Damit füllt er Klatschspal- ten. Und das Publikum liest. Seine TV- Auftritte mit jungen Damen, die alle einen Kosenamen aus der Tierwelt ha- ben, erinnern oft an Nestroys Posse „Das Mädel aus der Vorstadt“, nicht ge- spielt im Theater an der Josefstadt, son- dern auf der Bühne der Lugner City. Er spielt dabei gerne die Rolle des Lebe- mannes in seiner Strahle-Welt zwischen „Marchfelderhof“, Lignano, mit nachweih- nachtlichen Abstechern auf die Malediven. Baumeister Richard Lugne r ist unvor- stellbare 89 Jahre jung, hat noch viele Pläne, ist dynamisch wie eh und je. In der bunten Vielfalt seiner Erscheinung ist er der Typ des Ur-Wieners, eine wienerische Figur in der oft sehr nüchternen Business Welt unse- rer Zeit. Ein Technischer Rat, Ingenieur, Baumeister und Zentrumbetreiber auch gerne in der Rolle des „Herr Mörtel“. Ri- chard Lugner eben. IVANA TRUMP 1994 zu Gast in der Opern- ball Loge von Richard und Christina Lugner DIE LUGNER CITY wird pro Jahr von acht Millionen Kunden be- sucht und kommt auf einen Umsatz von rund 130 Millionen Euro 74 | REGAL 06/07-2022 BT_Lugner.indd 7401.07.22 09:42Hergestellt in Österreich 50% weniger Fett - Der ideale Snack für Bewusste genießer! Knusprig Gepoppter Kartoffelsnack in den zwei beliebtesten Geschmacksrichtungen JETZT NEU 2022-06_Inserat_Popchips_210x297mm.indd 127.06.2022 13:08:02D ie Lage ist ernst. Sehr ernst. Der Puls in der Branche steigt. Der Grund: Die Kosten für Energie, Verpackung und Logistik klettern, die Versorgung mit Gas wa- ckelt. „Deutschland hat gerade bei Gas die Alarmstufe ausgerufen. Österreich hat das noch nicht gemacht. Die Lebensmittelindust- rie ist in einem hohen Maß von Gas abhängig. Wir brauchen Gas für die Prozesswärme bei der Verarbeitung. Für das Backen, Kochen Hochkarätig besetzte Diskussion zum magischen Dreieck Handel, Industrie, Konsument Kosten, Preise und Gas Der Puls in der Branche steigt. Der Grund: Die Kosten für Energie, Verpackung und Logistik klettern, die Versorgung mit Gas wackelt immer stärker. „Fließt kein Gas, steht die Produktion still“, so Mag. Katharina Koßdorff. Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie. Innovationen brauchen länger, weil die Zyklen für Verpackungsmaterial länger sind, meint Mag. Andreas Kutil, Vorstand Marketing & Verkauf Manner. Raffinieren, Pasteurisieren, Tiefkühlen, Küh- len. Die Industrie braucht eine konstante Energieversorgung“, so Mag. Katharina Koß- dorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie. In Summe hat Österreich einen Gasverbrauch von 90 Tera- wattstunden, 40 Prozent davon braucht die gesamte Industrie. Von diesen 40 Prozent ent- fallen zehn Prozent auf die Lebensmittelin- dustrie. Seit Wochen versucht der Fachver- VON ROBERT FALKINGER v.l.n.r.: Dr Sebastian Bohrn Mena (Vorstand Gemeinwohlstiftung COMMÚN), Mag. Katharina Koßdorff (Geschäftsführerin Fachverband Lebensmittelindustrie), Mag. Andreas Kutil (Vorstand Marketing/Verkauf Manner), Moderatorin Assoz. Prof. Dr. Christina Holweg (WU Wien), Univ. Prof. Dr. Gerald Reiner (Head of Institute for Production Management WU Wien), Ing. Mag. Rainer Will (Geschäftsführer Handelsverband) 76 | REGAL 06/07-2022band der Lebensmittelindustrie zum Thema Notfallpläne mit dem Klimaministerium in einen konstruktiven Dialog einzusteigen. Doch die Industrie kennt die Notfallpläne nicht. „Das bereitet uns Kopfzerbrechen. Es wäre höchst an der Zeit, jetzt, wo Deutsch- land die Stufe verschärft hat, in einen konstruktiven Dialog mit dem Klimaministerium zu tre- ten, damit wir wissen, wie Gas im Energielenkungsfall verteilt wird. Fließt kein Gas, steht die Produktion still. Sonst kippen wir in ein Versorgungsproblem“, so Koßdorff. Die aktuelle Situation ist au- ßergewöhnlich, stellt auch Mag. Andreas Kutil, Vorstand Marke- ting & Verkauf Manner, fest. Er habe so etwas in seiner 25-jähri- gen Erfahrung nicht gesehen. Manner kämpft mit steigenden Preisen bei Mehl, Fetten. Roh- stoffschwankungen hat es im- mer schon gegeben und wird es auch weiter geben. Aber der brei- te Mix aus steigenden Preisen für Rohstoffe, Verpackungsma- terialen und Energie ist neu. Das erfordert eine Anpassung der Preise“, so der Top-Manager. Moderatorin Assoz. Prof. Dr. Christina Holweg der WU führte wieder glänzend durch den dichten Themen- wald. Der Handel mahnt die Industrie, die Si- tuation nicht auszunützen. Gerichtet an die Adresse des Handels, wirft sie den Aspekt eines teilweisen Margenverzichtes in den Runde. So könnte der Handel seiner Preis- ausgleichsfunktion ent- ge gen kommen. „Wir verstehen uns als Anwalt des Kunden. 15 Prozent aller Menschen in unserem Land müs- sen sich auf lebensnot- wendige Güter limitie- ren. Für Konsumgüter, Mode oder Elektrogeräte bleibt dann wenig über. 66,3 Prozent aller Men- schen müssen auf güns- tige Lebensmittel setzen. Das ist bedauerlich für unsere Anstrengen, Themen wie Tierwohl oder Regionalität voran zubringen. Wir müssen gemeinsam Wege finden, um gestärkt durch diese Krise zu kommen“, so Ing. Mag. Rainer Will, Geschäfts führer des Handelsverbandes. Im LEH beträgt die Marge zwischen einem und 1,5 Prozent. Jeder muss einen Beitrag leisten. Gerade jetzt will man als loyaler Anbieter wahrgenommen werden und setzt verstärkt auf Aktionen wie etwa Rabattmarkerln. Lieferketten. In der Supply Chain sollten nicht allein die Preisdimension, sondern auch die Risikodimension betrach- tet werden. Univ.-Prof. Dr. Ge- rald Reiner, Head of Institute für Production Management an der WU Wien: „Es sollte nicht nur um Preise gehen, sondern auch um eine faire Teilung der Risiken.“ Regio- nalität kann Lieferzeiten und Risiken verkürzen. „Paradei- ser, die aus 100 Kilometer Ent- fernung kommen, können ei- gentlich nicht frisch sein“, so Reiner, der auch einen ver- stärkten Trend zu Bestandhal- tung feststellt. „Mittlerweile spricht man in der Logistik wieder mehr von Beständen. Das war viele Jahre kein The- ma“, so der Logistikexperte. Multi Sourcing, Dual Sourcing statt Single Sourcing. Dr. Sebastian Bohrn Mena, Vorstand der Gemeinwohlstif- tung COMMÚN, stellt visionä- re Verteilungsfragen. „Wie sol- len Lebensmittel in Zukunft produziert und verteilt werden, damit sowohl die planetaren Grenzen als auch die Grenzen des Einkaufsbeutel gewahrt bleiben? Wir stel- len aber fest, dass eine entscheidende Stimme bei diesem Aushandelungsprozess fehlt, nämlich die der Bürger und Bürgerinnen, Konsumenten und Kon- sumentinnen. Denn die- se entscheiden, sagt der Handel, mit ihrem Griff ins Regal, was, wo, und wie produziert wird.“ Er fordert mehr Transpa- renz im Handel ein. Will kontert gekonnt. „95 Prozent aller Frisch- fleischprodukte kom- men aus Österreich. Bei Backwaren sind es 90 Prozent, bei Obst und Gemüse sind es je nach Saisonalität 75 Pro- zent. Alle verpackten Fleischsorten sind mit Adresse bis zum Bauern nachvollziehbar.“ Handlungsspielraum bestehe hingegen noch bei verarbeiteten Produkten an der Wurst- theke. Auch in der Gastronomie sollte klar sein, wo das Wiener Schnitzel herkommt. „Es ist Aufgabe des Marken artikels, weiterhin in die Marke zu investieren und so den Wert der Marke erlebbar zu machen.“ Mag. Andreas Kutil, Vorstand Marketing & Verkauf Manner ↗22 06/07-2022 REGAL | 77↗22 Lebensmittelkenn- zeichnung. Das Lebens- mittelrecht ist seit den 70er Jahren ein beson- ders stark gewachsener Regelungsbereich. Die- ser wird ständig weiter entwickelt. Koßdorff: „In wenigen Wochen legt die EU-Kommission ein re- lativ großes Paket zur Lebensmittelkennzeich- nung vor. Da wird es u.a. um Herkunfts- und Nähr- wert kennzeichnung, Tier- wohlaspekte gehen.“ Die Teuerungswelle rollt. Steigt auch die Nachfrage im Handel nach Preiseinstieg? Will: „Definitiv ja. Die So- zialmärkte stehen vor großen Herausforde- rungen, weil die Nachfrage enorm zugenom- men hat.“ Start ups wie Too Good To Go helfen zusätzlich, noch genießbare Lebensmittel abzuverkaufen. Diese Mengen fehlen dann aber den etablierten Organisationen. Will: „In den beiden Corona Jahren war es durch hohe Sparquote unmöglich, im Außer-Haus-Verzehr unterwegs zu sein. Es gab einen wahren Bio- boom. Premiummarken wie etwa Ja!Natürlich oder Spar Natur pur ver- zeichneten zweistellige Zuwachsraten. Trotz kleinerer Geldbörse hal- ten noch viele Konsu- menten an diesen Mar- ken fest. Doch es gibt vermehrt Wechselkäu- fer, die in die nächstniedrige Preis ka tegorie hinüber wechseln.“ Wie geht man als Marke mit solchen Her- ausforderungen um? Kutil: „Marken sind Ori- entierung, Leuchttürme für Konsumenten. Marken geben gerade in der Krise Sicherheit. Für Konsumenten, die wenig verdienen, wird es schwer. Es ist Aufgabe des Markenartikels, weiterhin in die Marke zu investieren und so den Wert der Marke erlebbar zu machen.“ In- novationen werden laut Kutil nicht zurückge- fahren. „Bei Innovationen brauchen wir aber einfach heute länger, weil sich die Zyklen, um an Verpackungsmaterial zu kommen, massiv ausgedehnt haben. Wie kann man angesichts dieser Herausfor- derungen weiter Wachstum absichern? Kutil: „Die Augen offen halten, flexibel bleiben, schnell entscheiden.“ Laut Koßdorff ist Wachs- tum nur möglich, wenn Krisenresilienz vor- handen ist. „Versorgungssicherheit muss an erster Stelle stehen. Zweitens: Stärken stärken. Wir haben eine Exportquote weit über 60 Pro- zent. So sollte der Export von der Politik weiter unterstützt werden. Drittens sollte die Regie- rung von nationalen Alleingängen absehen und nicht inländische Firmen diskriminieren, Stichwort Lebensmittelkennzeichnung. Für Will ist vor allem Planungssicherheit ge- fordert. Daneben erwartet sich der Handelsex- perte mehr Selbstverantwortung für die Men- schen und eine klare Branchendifferenzierung. Klar ist auch: Es braucht eine Arbeitsmarktre- form. So konnten 25 Prozent aller Händler nicht öffnen, weil kein Personal verfügbar war. Und Univ.-Prof. Reiner bringt es zum Schluss auf den Punkt: „Wachstum ist natür- lich notwendig. Aber Wachstum sollte ohne proportional steigenden Ressourcenbedarf passieren.“ „Wachstum sollte ohne proportional steigenden Ressourcenbedarf passieren.“ Univ.-Prof. Dr. Gerald Reiner, Head of Institute for Production Management an der WU Wien „Versorgungssicherheit muss an erster Stelle stehen.“ Mag. Katharina Koßdorff. Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie 78 | REGAL 06/07-2022Next >