< PreviousREGAL JOBS | MITARBEITER Wie steht es um die Lehrlinge im LEH? INTERVIEW: ANNA LENA WAGNER → REGAL.AT/JOBS · POWERED BY STEPSTONE Interview mit Lehrlingsexperten Mario Derntl, BA, MBA REGAL: In Österreich gibt es derzeit 108.600 Lehrlinge in rund 28.700 Lehrbetrieben. Welchen Anteil hat der Handel? MARIO DERNTL: Der österreichi sche Handel hat 3.700 Lehrbetriebe und stellt heuer rund 15.000 Lehr linge ein. Wie sieht die aktuelle Lehrlingssitu- ation in Österreich aus? Welche Herausforderungen gab es aufgrund von Corona seit März 2020? Grundsätzlich sind die Lehrlingszah len in Österreich konstant. Auch der erwartete CoronaEinbruch von rund 30 Prozent ist ausgeblieben. In Summe sind von den aktuell 108.000 Lehrlin gen nur 0,6 Prozent weggebrochen. Was war der Grund dafür? Der Lehrlingsbonus der Regierung hat mit Sicherheit geholfen. Betriebe haben einen Bonus von zwei bis drei Tausend Euro bekommen, wenn sie im letzten Jahr einen Lehrling aufge nommen haben. Auch die Lehrlings kurzarbeit war ein weiterer Faktor. Mittlerweile findet die Lehrlingsaus bildung fast normal statt – Distance Learning und HomeOffice sind na türlich das neue Normal. Sie haben es angesprochen, die Lehrlingszahlen sinken – woran liegt das? Es ist ein genereller und hausge machter Trend. Zählten wir im Jahr 1981 noch 200.000 Lehrlinge, sind es heute eben nur noch 108.000. Dazu hat auch der jahrelang zitierte Satz: „Wenn aus dir was werden soll, dann musst du studieren gehen“ geführt, aber auch alte Rahmenbedingungen, wie schlechte oder keine Aufstiegs möglichkeiten und wenig Gehalt spielen hier mit. Was ist Lehrlingen aktuell wichtig? Spar und Rewe locken neben mone- tären Mitteln auch mit Benefits wie Ipads, E-Bikes, Führerscheinen und Events. Rewe und Spar suchen mittlerweile die größte Anzahl der Lehrlinge, da ist es wichtig, diese auch zu begeis tern. Monetäre Mittel sind wichtig, aber nicht der entscheidende Grund. Der Handel zeigt, bedingt durch Co rona, dass für die Jugendlichen ein krisensicherer Job von Bedeutung ist, und auch, dass die die Möglichkeit gegeben ist, aufzusteigen. Noch dazu kommt, dass ihnen eine vielfältige Tätigkeit wichtig ist. Außerdem, ob wohl Lehrlinge mit 15 Jahren noch minderjährig sind, sind in einem ge wissen Rahmen flexible Arbeitszeiten ein wesentlicher Faktor. Welche Branchen sind für Lehrlinge attraktiv, welche weniger? Im Handel ist spannend, dass die eCommerceLehre einer der belieb testen Lehrberufe ist. Aber auch der Lehrberuf Handelskaufmann liegt bei Burschen auf Platz vier, bei Mädchen unter den Top fünf. „Der Lehre neuen Aufschwung verleihen“, wie soll das geschehen? Welche Steps werden hierfür 2021 gesetzt? Das Bild, dass jungen Menschen mit einer Lehrlingsausbildung nicht alle Türen offenstehen, gilt es auf zu brechen. Dieses Jahr wollen wir, ähnlich wie auf Hochschulen, ein AlumniNetzwerk für Lehrlinge auf bauen und junge Menschen nicht nur vernetzen, sondern ihnen auch mit Beispielen zeigen, was möglich ist. Knapp 2.000 Geschichten von Lehrlingen, die während ihrer Kar riere große Erfolge feierten, konnten wir schon sammeln. Sobald die Schulen wieder öffnen, werden wir diese Erfolgsgeschichten dorthin tragen. Im LEH werden für einige Bereiche (z. B. Feinkost) schwer Lehrlinge gefunden, wie kann ein Betrieb die Lehrstelle attraktiver machen? Neben der aktiven Arbeit in Schulen, das Image der Lehre aufzubrechen, bieten wir immer wieder Schulungen für die Lehrlingsausbildner in Unter nehmen an. Konkret für den LEH haben wir mit der ReweLehrlings ausbildnerin über das Thema Home Office gesprochen. Vielen Dank für das Gespräch! Im Gespräch mit Mario Derntl, BA, MBA Geschäfts führer von zukunft.lehre.österreich und selbst ehemaliger Lehrling über die Situation im LEH und die Herausforderungen junger Menschen in der Ausbildung während der CoronaPandemie. 40 | REGAL 1-2021→ REGAL.AT/JOBS · POWERED BY STEPSTONEREGAL JOBS | MITARBEITER D ie Situation am österreichi schen Arbeitsmarkt wird sich in Zukunft verschärfen. Die ver gangenen Monate haben gezeigt, dass Jobs im Lebensmittelhandel krisensi cher sind und jungen Menschen einen hervorragenden Start in ihre beruf liche Zukunft ermöglichen. Bei den großen Playern des Lebensmittelhan dels Spar und Rewe startet nun die Suche nach den Lehrlingen für 2021. Die Tanne stellt 2021 rund 900 Lehrlinge ein. Derzeit werden 3.270 junge Menschen im In und Ausland, davon über 2.480 in Österreich, bei Spar ausgebildet. Das Handelsunter nehmen bietet 23 verschiedene Lehr berufe bei Spar, Interspar, Maximarkt und Hervis, in den Bereichen Einzel handel, Gastronomie, Bäckerei, IT und in den Zentralen an. Außerdem werden in der SparAkademie Zusatz ausbildungen, wie KäseExperte, Fair tradeBotschafter, BioExperte oder Green Champions angeboten. 400 Schüler und 16 Lehrende sind an der Spar Akademie in Wien im Unterricht. Neben der in allen Bundesländern angebotenen Lehre und Matura wird in Kärnten noch eins draufgesetzt: Lehre mit Matura. Lehre mit Matura. Laut Spar Di rektor für Kärnten und Osttirol, Mag. Paul Bacher, nutzen 20 Prozent der Lehrlinge dieses Angebot. 175 Jugend liche besuchen die SparAkade mieKlassen in Spittal an der Drau und werden von 16 Fachlehrern un terrichtet. „Außerhalb des 10wöchi gen BerufsschulBlocklehrganges be suchen die Lehrlinge einmal wö chentlich, in der Arbeitszeit, den Maturaunterricht an der FBS Spittal“, erklärt Bacher, „und schließen in nur vier Lehrjahren zwei Lehrberufe und die Matura ab.“ Benefits. Neben Lehrlingsent schädigungen (bei guten PraxisLeis tungen) bis zu 4.500 Euro im Jahr, lockt Spar auch mit BFührerschein, EBike und iPad. Außerdem, und in Zeiten von Corona immer wichtiger, setzt die Tanne neben klassischen Weiterbildungen auf professionelles ELearning. Bei Billa, Merkur, Penny, Bipa, Adeg, AGM und der Rewe Zentrale finden 2.000 Lehrlinge einen Arbeits platz. 2020 wurden wieder rund 700 Jugendliche aufgenommen. „Die Rewe Gruppe stellt rund 15 Prozent der Lehrlinge im Handel. Die Lehrstellen wurden in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt“, so Doris Rannegger, Leiterin der Rewe Group Karriere schmiede gegenüber REGAL. Und weiter: „Auch im Ausnahmejahr soll dieser Anteil weiter steigen.“ Rewe hat 24 Berufsbilder für Lehrlinge im Angebot: Die Ausbil dungsfelder umfassen dabei den Ein zelhandel mit den Schwerpunkten Lebensmittelhandel, Parfümerie, Fein kostfachverkauf sowie dem zusätzli chen Schwerpunkt „Digitaler Verkauf“ über Lebensmitteltechniker oder Be triebs logistikkaufmann bis hin zu Metall technik, Systemgastronomie fachmann, Applikationsentwicklung – Coding oder Berufskraftfahrer. Bei Penny wird außerdem die Lehre zum Fleischfachverkäufer angeboten. Am stärksten nachgefragt, so Rannegger, ist der Lehrberuf des Lebensmittel einzelhandels, aber auch Lehrberufe rund um das Thema Digitalisierung sind im Aufschwung. Zusatzausbildung. Zudem wird sowohl die Lehre mit Matura, die In tegrative Lehre als auch die Lehre nach Matura (Duale Akademie) in al len Ausbildungsfirmen angeboten. Rannegger bestätigt, dass viele Lehr linge diese Zusatzausbildung nutzen. „Lehre mit Matura stellt natürlich zu sätzliche Anforderungen an die Lehr linge und ist ebenfalls zeitintensiv. Unsere Empfehlung ist daher (wenn im Bundesland möglich), dass die Lehrlinge im zweiten Lehrjahr mit dieser Zusatzausbildung beginnen.“ Spar und Rewe suchen 1.600 Lehrlinge Spar und Rewe im Wettbewerb um die besten Lehrlinge → Spar bietet 900 Jugendlichen einen neuen Arbeitsplatz → Rewe hat 2020 rund 700 Lehrlinge aufgenommen 1-2021 REGAL | 41Wien REGAL SCHWERPUNKT MAG. HERBERT SCHNEEWEIS Redaktion REGAL REGAL: Wie geht es dem Wiener Handel? KR MARGARETE GUMPRECHT: Uns hat es schwer getroffen. Eine Woche im Lockdown kostet den Wiener Unternehmen zwischen 150 und 200 Millionen Euro. Österreichweit sind es sogar 600 Millionen. Viele Unterneh- mer verstehen nicht, warum der Handel und die Gastro schließen mussten und die Pisten trotzdem offen haben. Dazu muss man sagen, dass der Handel mit einer Lockdown-Verlän- gerung eher zurechtkommt – das ständige Auf- und Zusperren ruiniert die Wirtschaft. Sehr wichtig für unsere Betriebe ist die Pla- nungssicherheit. Drei Tage Vorlaufphase sind zu knapp. Ihre Prognose? Der Handel wird sich erst dann wieder so rich- tig erholen, wenn auch die Gastro aufsperrt und wir eine neue Normalität durch Testen INTERVIEW: LISA WEBER Wiener Handel droht tiefe Flaute Spartenobfrau Handel (WKW) Margarete Gumprecht im Interview → Bis zu 25 Prozent der Händler könnten schließen → Click&Collect als Chance für die kleinen Händler Wiens → Dramatik im Wiener Handel und Impfen erlangen. Ich schätze, das passiert frühestens nach dem zweiten Quartal. Vorerst könnte uns eine Welle an Konkursen blühen. Im letzten Jahr gab es keine Anträge durch Sozialversicherung und Finanzamt, also wird hier einiges nachgeholt werden. Das hängt dann von der weiteren Entwicklung ab. Wir rechnen aber mit 20 bis 25 Prozent. Die hohen Mieten in den Geschäftsstraßen helfen dabei nicht besonders. In den nächsten Quartalen wird sich heraus- stellen, wie sich die Lagen entwickeln. A-La- gen werden teilweise nicht mehr leistbar sein. Ich hoffe auf eine vernünftigere Miet- setzung der Vermieter. Einige werden auf B- oder C-Lagen ausweichen müssen. Da ist aber auch der Konsument gefragt: Wenn ich mein Geschäft ums Eck weiter haben will, muss ich daran denken, lokal einzukaufen. Spartenobfrau Handel (WKW) Margarete Gumprecht führt im Familienbetrieb 15 Standorte, davon sechs eigene Feinkost- und Pferdespezialitä- tenläden. Mit REGAL spricht sie exklusiv über die dramatischen Ent- wicklungen der letzten Monate. LISA WEBER, BSc Redaktion REGAL ANNA LENA WAGNER, MA Redaktion REGAL 42 | REGAL 1-2021WIEN Der Handel hat ja große Mengen eingekauft. Rechnen Sie mit einer Preisschlacht? Nach dem Aufsperren wird es hoffentlich einen Nachholeffekt geben. Das wird ganz sicher eine Preisschlacht – die Lager sind voll und die Ware muss hinaus. Eine große Bau- stelle für uns sind die indirekt betroffenen Betriebe: Großhändler, Gewerbe und Hand- werk, alle, die Gastronomie und Hotellerie beliefert haben. Solange der Tourismus nicht zurückkehrt, wird der Aufholeffekt insge- samt eher zaghaft sein. Wien kämpft bereits länger an einigen Stel- len mit Leerständen. Hier gibt es Projekte. Etwa mit dem Standort- anwalt Dr. Alexander Biach, wir wollen BID (Business Improvement Districts) etablieren: Einzelne, räumlich definierte, Bereiche, in denen sich Grundeigentümer und Unterneh- mer zusammenschließen, um das Umfeld zu verbessern. Etwa durch Neugestaltung und Pflege des öffentlichen Raumes, die Verbes- serung der Sauberkeit oder gemeinsame Marketingmaßnahmen. So können einzelne Standorte attraktiver werden. Gibt es weitere Ideen? Einige. Wien braucht zum Beispiel eine gut erreichbare Markthalle – das heißt ein Ge- nuss- und Erlebniszentrum, wie in vielen eu- ropäischen Städten. So wie die Hamburger Fischmarkthalle. Wir brauchen dieses Zent- rum für Tourismus, Wirtschaft und Einhei- mische unbedingt. Und damit meine ich aber keine Überdachung des Naschmarktes, das würde nicht weit genug greifen. Sondern etwa eine Umgestaltung der Rinderhalle St. Marx, die auch wettergeschützt ist. Denk- bar wäre dafür ein Wettbewerb für junge Architekten. Gut, das sind langfristige Ideen. Nahelie- gend sind jetzt Online-Initiativen, die oft nicht greifen, wo Amazon führt. Die Unsicherheit der Konsumenten verstärkt den großen Online-Handel. Das Weihnachts- geschäft 2020 war definitiv das stärkste On- line-Geschäft, seit es Weihnachten gibt. Etwa 60 Prozent der Wiener haben sich online in- formiert, zwei Fünftel haben dann auch on- line gekauft, davon nur etwa 17 Prozent regi- onal. Das zeigt uns: Wiener Betriebe müssen digital sichtbarer werden. Es gibt schon eini- ge gute Initiativen wie die WK-Plattform „Re- gional einkaufen“ oder die Händlerplattform „Regionale Shops“. Natürlich holen wir die Online-Riesen niemals ein, aber es ist ein ge- wisses regionales Bewusstsein zu verzeich- nen und es sind auch immer mehr Unterneh- men bereit, ihre Online-Präsenz zu stärken. Da können wir einhaken. Es wird nicht jeder einen Online-Shop schaffen. Hier sehe ich es als Aufgabe der WKW, die Kleinen zu unterstützen. Es gibt bereits ein Angebot an Seminaren und Fortbildungen. Oft genügt es, die Seite mit aktuellen Infos zu füllen. Also braucht auch nicht jeder einen Online-Shop? Nein, es geht nur um die Präsenz, das Sicht- bar-Sein. Ein gutes Instrument ist auch Click&Collect oder Call&Collect. Es gibt zwar noch Luft nach oben, aber diese Möglichkeit wird dennoch Bestandteil der Zukunft sein. Wäre die Sonntagsöffnung eine praktikable Lösung, um den Handel aus der Lock- down-Krise zu holen? Meine Vorstellung wäre, den Sonntag zu be- stimmten Anlässen zu nutzen – wie etwa zu Saison-Schlussverkäufen, oder vor Ostern, Muttertag und Weihnachten. Also eine punktuelle Sonntagsöffnung? Eine generelle Sonntagsöffnung ist in Öster- reich nicht machbar, dazu bedarf es einer Zustimmung vieler – auch der Sozialpartner. Meiner Meinung nach ist sie auch nicht not- wendig. Aber, nur so in den Raum gestellt, Wien ist das einzige Bundesland ohne Touris- muszone. Und das, obwohl wir ein Zentrum für Städtetourismus sind. Hier ist Bürgermeis- ter Ludwig gefragt, das ist Landessache. Die Wiener Greißler sterben aus, woran liegt das? Da muss ich widersprechen. Klar, der klassi- sche Greißler, den gibt es so kaum noch. Aber wir haben gelernt, mit den großen Nahver- sorgern umzugehen und verzeichnen einen Anstieg der kleinen Unternehmer. Es gibt vie- le „Spezialisten“, reine Fischgeschäfte, Scho- kotheken, besondere Feinkosten. Sie zeich- nen sich durch besonderen Service und das Angebot von Kleinstproduzenten aus. Diese Geschäfte werden zum zweiten Wohnzim- mer der Konsumenten. Da wird gekostet und sich wohlgefühlt – und es ist okay, wenn es das Spezialjoghurt aus dem Waldviertel nur einmal die Woche gibt. Der „neue Greißler“ ist also ein Spezialist? Ganz genau. Für die Kleinen gilt: Wenn du erfolgreich sein willst, spezialisiere dich. Vielen Dank für das Gespräch! 25 % DER BETRIEBE KÖNNTEN SCHLIESSEN 1-2021 REGAL | 43WIEN B enannt nach den Wollwebern und -händlern, trägt die Einkaufsstraße zwischen der Rotenturmstraße und dem Stubentor seit 1827 den Namen Wollzei- le. In einer der ältesten Straßen Wiens, einge- bettet zwischen Stephansplatz und Stadtpark, halten zwar keine Wollgeschäfte mehr Ein- zug, dafür aber regionale und Spezial-Ge- schäfte, selbstständige Modeläden, Reform- häuser, Spar sowie das traditionelle Wiener Café Diglas und bekannte Restaurants wie Plachutta und Figlmüller. Die Wollzeile ist preisgünstig, sozusagen eine Straße der Bürger, und eine Alternative zum Goldenen Viertel. Frequenzrückgang aufgrund von Corona. 2021 erinnert auf der Wollzeile wenig an die Wollweber. Reges Treiben herrscht auf der 500 TEXT: ANNA LENA WAGNER Einkaufsmeile der Bürger Die Wiener Wollzeile wird zunehmend zur Parade-Einkaufsstraße → Rund 100 Geschäfte: Wiener Handwerk und regionale Spezialitäten → Herausforderungen: Sinkende Käuferfrequenz durch Corona, hohe Mieten und Wechsel in Gastro-Betrieben → In Aussicht: Wird die Wollzeile bald autofrei? Meter langen Straße. Doch in den Geschäften „tröpfelt“ es nur, bestätigen die Verkäuferin- nen der Wollzeile unisono. Grund dafür: Co- rona. Da es auf der Wollzeile eine Vielzahl an Geschäften für den täglichen Bedarf gibt, haben geschätzt mehr als 60 Prozent der Shops geöffnet. Aber trotzdem: „Die Frequenz ist extrem zurückgegangen“, klagt Christina Wolff-Staudigl, Geschäftsführerin des Re- formhauses Staudigl gegenüber REGAL. „Es fehlen nicht nur die Laufkunden und Touris- ten. Viele unserer Stammkunden haben ihren Arbeitsplatz in der Innenstadt und davon sind wiederum viele im Home-Office oder in Kurz- arbeit.“ Spezialitäten. Einige Geschäfte weiter, in Richtung Stadtpark, arbeitet Sophie Kutterer seit einem Jahr in Raimers Bonbon-Laden. Den Süßwarenspezialisten gibt es seit 90 Jah- ren. Das Weihnachtsgeschäft, so verrät die Verkäuferin, ist umsatzstark gewesen, dafür Christina Wolff-Staudigl © STAUDIGL 44 | REGAL 1-2021WIEN sorgten vor allem Stammkunden und jene Wiener, die die kleinen Geschäfte in der Krise unterstützen wollten. Doch jetzt, nur wenige Wochen später, ist im Süßwarenladen wenig los: „Das Personal wurde auf ein Minimum gekürzt“, so Kutterer. Ein Anker für die rund 100 Geschäfte der Wollzeile: Click & Collect. Nicht nur die Gastronomie bietet Take-away an, auch viele Modegeschäfte und Spezialitäten-Shops sind auf den Zug aufgesprungen. „Wir haben unseren Online-Shop schon lange vor Corona errichtet“, so Stau- digl. Die Geschäftsführerin geht aber von einem Abflachen des Digitalisie- rungstrends nach der Krise aus: „Je- der sehnt sich wieder nach einem so- zialen Miteinander und persönlicher Kontakt wird in der Wertschätzung wieder steigen. Gerade in unseren Ge- schäften kommen die Menschen gerne zum Abschalten, Schmökern und Verwöhnen las- sen.“ Mag.a Magda Hassan, Sprecherin der IG Wollzeile, führt weiter aus: „Dadurch, dass ein Großteil der Betriebe inhabergeführt ist, gab es viele innovative Lösungen, sodass die Geschäfte trotz der Schließung online oder persönlich für die Kunden zur Verfügung standen.“ LEH. Neben den unzähligen Spezialitäten- geschäften bleibt nicht viel Platz für den Le- bensmittelhandel. Lediglich ein Convenien- ce-Spar ist vor dem U-Bahn Eingang Stuben- tor angesiedelt. Dafür wurde auf der Wollzeile ein für Wien einzigartiges Konzept umge- setzt: Auf weniger als 50 m² hat Spar einen „City-Supermarkt“ mit Convenience-Artikeln aufgestellt. Von Hot-to-go, über Sushi, Jause, Gebäck, Obst und Coffee-to-go liegt der Fo- kus auf den enjoy-Eigenpro- dukten. Leerstände. Vor einigen Jahren wurde die Wollzeile noch als das „Sorgenkind“ in der Presse betitelt. Doch spa- ziert man heute die Straße entlang, findet man kaum ein leeres Geschäft. In der Mitte der Straße musste ein Spiel- fachgeschäft schließen. Und vor allem die Gastro-Betriebe wechseln häufig, bestätigt eine Verkäuferin auf der Woll- zeile. Aktuell wird eine leer- stehende Fläche, ein ehemali- ges italienisches Restaurant, bald durch einen Asiaten er- setzt. Die Hoffnung, dass alle Shops es glimpflich durch die Krise schaffen, ist aber groß. Neue Konzepte. Und dennoch versuchen sich immer wieder neue Konzepte auf der Wollzeile. „Der überaus positive Umschwung in der Wollzeile ist durch die Ansiedlung neu- er Geschäfte, die das Angebot sehr gut ergän- zen, entstanden“, erklärt Hassan. Der Gastro- nom Martin Ho sperrt neben seinem vietna- mesischen Restaurant „Ivys Pho House“ eine neue Tagesbar auf und auch Georg Öfferl, Geschäftsführer Öfferl Brot, hat Ende 2019 sein Lokal samt Schaubäckerei in der Wollzeile eröffnet. Der Charme der Straße: Die Woll- zeile ist viel mehr als nur die Durch- zugsstraße von der Landstraße in die Innenstadt. „Kleine Spezialisten treffen auf Nachbarschaftscharme“, so Mag.a Kerstin Aglassinger-Nyalusi, Verkäufe- rin im Wald & Wiese im REGAL Gespräch. Während andere Innenstadt-Einkaufsstra- ßen von internationalen Ketten dominiert werden, findet man auf der Wollzeile indivi- duelle, regionale Einzelhandels- und Gastro- nomiebetriebe. „Der Mix der rund 100 Ge- schäfte ist sehr gut – Kosmetik, Haushaltswa- ren, Papier, Buch, Mode, Schmuck, Kulinarik, Gesundheit, Confiserie, Kaffeehauskultur, Gastronomie und auch Kultur durch das Simpl“, so Staudigl, die gleich mit zwei Ge- schäften auf der Wollzeile vertreten ist. Hier verbindet sich „Traditionelles mit Neuem und Originellem.“ Bald autofrei? Die angrenzende Roten- turmstraße wurde letztes Jahr zur Begeg- nungszone umgebaut. „Die Wollzeile konnte von der Rotenturmstraße mitprofitieren“, so Staudigl. Und weiter: „Da wir hier aber immer ziemlich zugeparkt sind, der Fußgänger auf einen doch schmalen Gehweg gedrängt wird und es eigentlich kein Grün in der Straße gibt, könnte die Wollzeile durch eine gut durchdachte und begrünte Begegnungszone nur gewinnen.“ Und auch Aglassin- ger-Nyalusi würde sich über eine autofreie Wollzeile freuen. Aber auch mit Verkehr ist die Einbahn- straße im ersten Bezirk schon jetzt für die Wiener eine Trend- meile: „Wenn man Luxus nicht über den Preis, sondern über Ex- klusivität, individuelles Erleben, persönliche Beziehungen durch die vielen Familienbetriebe und über einen neuen regionalen wie auch ökologischen Zugang defi- niert, dann ist die Wollzeile als typische Wiener Einkaufsstraße eine zukunftsweisende Trend- meile“, so Staudigl. Mag. a Magda Hassan, Sprecherin der IG Wollzeile © SUPERBILD 1-2021 REGAL | 45REGAL: Herr Direktor Mohseni, Ost-Öster- reich und insbesondere Wien gehört zur Hausmacht von Billa Merkur Österreich. Wie viele Standorte waren in der Bundes- hauptstadt mit Jahresende aufgeschalten? MOHSENI: Wir verfügen bei Billa Merkur Österreich (BMÖ) aktuell über insgesamt 331 Filialen in Wien. Davon sind 44 Merkur- und 287 Billa-Standorte am Netz. Alleine bei Billa verfügen wir in Wien über eine Verkaufs- fläche von 155.400 m2. Gibt es in Wien überhaupt noch Expansi- onsmöglichkeiten? Oftmals wird behauptet, dass das Filialnetz in Wien bereits zur Genüge ausgebaut ist und keine weißen Flecken mehr vorhanden sind. Dennoch gibt es immer wieder Stadtentwick- lungsgebiete, wo Nahversorgung wieder not- wendig wird. Ein Beispiel ist die Seestadt oder der Emil-Behring-Weg in Wien, den wir 2020 realisieren konnten. Dort wurde etwa ein großes Wohnbau-Vorhaben umgesetzt und somit war mitten im zwölften Bezirk Im REGAL-Gespräch spricht Hamed Mohseni über seine Pläne für Wien und die Region. Rewe setzt auf Bastion Wien Hamed Mohseni ist einer der sieben neuen Rewe-Regionaldirektoren und verantwortet die Billa und Merkur-Standorte in den Wiener Bezirken 6 – 18 sowie das westliche Nieder- österreich bis Amstetten und Horn. INTERVIEW: HERBERT SCHNEEWEIS wieder Bedarf vorhanden. Natürlich schauen wir uns genau an, wo ein neues Projekt Sinn macht. Insgesamt haben wir in Wien auch im vergangenen Jahr acht neue Billa-Märkte neu gebaut, sechs Standorte der gelb-roten Flotte umgebaut und auch zwei Merkur-Flächen auf den neuesten Stand gebracht. Der letzte Umbau betraf zum Beispiel den Markt in der Wiener Brünnerstraße, der wirklich schön geworden ist, einen Schwerpunkt auf Feinkost und Obst und Gemüse legt, und modernste Standards erfüllt. Wird das Umbau- und Expansionstempo 2021 fortgesetzt? Wir haben einige Projekte in der Pipeline. Ich denke alleine in meinem Gebiet an Moderni- sierungen des Billa-Marktes am Elterlein- platz oder auch in der Liliengasse und zwei Merkur Filialen im 16. und 17. Bezirk. Dazu wird es in der Neustiftgasse eine Neueröff- nung geben. WIEN 46 | REGAL 1-2021Welche Verkaufsflächen benötigt Billa, um erfolgreich sein zu können? Angepasst an die jeweilige Lage, haben wir ganz unterschiedliche Filialformate. In Hochfrequenzlagen wie etwa auf der Hüttel- dorfer Straße oder Mariahilfer Straße könn- ten 300 m2 Verkaufsfläche durchaus aus- reichen. Die Zukunft wird aber Standorten gehören, die wir mit Partnern realisieren können. Ich denke dabei an Märkte, die in der Kombination mit einem Kindergarten, Wohnungen oder eines Fitness-Studios hoch- gezogen werden. Da haben wir in der Spei- singer Straße, am Rosenhügel oder in der Laxenburger Straße sowie in der Erzherzog- Karl-Straße bereits gute Beispiele. Die neue, regionale Struktur von Billa Merkur Österreich soll vor allem die Regio- nalität fördern. Gibt es genug regionale Sortimente in Wien? Wien wird hier gerne unterschätzt. Wir ha- ben alleine in der Bundeshauptstadt 120 regionale und lokale Lieferanten. Darunter sind auch Betriebe, die vielleicht nur zwei, drei Standorte beliefern. Aber gerade darum geht es, wir wollen Lokalität erzeugen. Wir haben Mehl aus der Lobau, Honig, Schinken, Feigen direkt aus Wien und natürlich eine breite Palette an Weinen. Da sind schon zu- kunftsträchtige Sortimente vorhanden, die wir schrittweise ausbauen. Gibt es noch Sortimente, die Sie sich in den Wiener Märkten wünschen würden? Ja, wir hätten bei Süßwaren, Knabbergebäck oder den Grundnahrungsmitteln noch gerne mehr Anbieter. Die Rewe Group Österreich hat in den letz- ten Jahren vor allem zentral nach neuen Anbietern gesucht? Jetzt gibt es für jede regionale Zentrale regio- nale Scouts, die auf der Suche nach neuen Pro- dukten sind. Aber die Anbieter können auch beim jeweiligen Marktmanager vorstellig wer- den, bei den Vertriebsmitarbeitern oder direkt bei mir. Wir geben hier gerne Auskunft und lei- ten die Informationen an den regionalen Scout weiter, der den Betrieben auch hilft, hier fit für eine Listung zu werden. Zusätzlich unterstüt- zen wir regionale und lokale Produzenten bei der Logistik, bei der Kennzeichnung der Pro- dukte oder auch bei der Vermarktung. Der Ethno-Mitbewerb wird in Wien immer stärker. Wie wichtig sind breite Sortimente in diesem Bereich? Wir haben natürlich bei den Merkur Märkten auf der Laxenburger Straße oder auch in der Lugner City sehr breite Ethno-Paletten, wobei asiatische und türkische Artikel be- sonders gefragt sind. Auch Balkan-Sortimen- te werden immer wichtiger. Wie viele Billa- und Merkur-Standorte haben in Wien bereits länger als die rest- liche Flotte offen? Da sind unsere Standorte am Flughafen Schwechat, Julius Tandler-Platz, Praterstern sowie die Mini Märkte Hauptbahnhof und Westbahnhof. Gerade an diesen Standorten sehen wir, dass es Bedarf an verlängerten Öffnungszeiten gibt. Wie sehen Sie die Lehrlingssituation? In meiner Region nehmen wir in diesem Jahr 150 bis 200 Lehrlinge auf, insgesamt rund 700 Lehrlinge österreichweit. Es gibt tolle Karrierechancen im Handel, viele Kollegen im oberen Management haben als Lehrlinge begonnen. Ein Blick zurück in das Jahr 2020, das tief von Corona geprägt war. Wie hat sich die Kaufkraft in Wien entwickelt? Grundsätzlich bemerken wir, dass die einzel- nen Warenkörbe zwar größer ausfallen, die Menschen aber insgesamt seltener einkaufen beziehungsweise ihre Einkäufe zusammen- fassen. Auch das Thema Regionalität ist wichtiger geworden: Es wird jetzt vermehrt zu österreichischen Artikeln gegriffen. Auch bei Ethno-Produkten ist ein Push spürbar. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass das Reisen heuer nur eingeschränkt möglich war. Es wird sich zeigen, wie sich die nächsten Monate entwickeln, viele Men- schen sind in Kurzarbeit, dementsprechend wird auch mehr auf die Ausgaben geachtet. Vielen Dank für das Gespräch. WIEN 1-2021 REGAL | 47WIEN W ien, Penzing. Marion Mixner über- nahm eine verwaiste Greisslerei, um ihren Traum der Selbstständigkeit zu erfüllen und kann mittlerweile von einem erfolgreichen Geschäft sprechen. Mit ihrem Standort am Flötzersteig erfüllt die Unterneh- merin eine, für ein kleines Geschäft in Wien unübliche, sehr wichtige Rolle: Sie ist die ein- zige Nahversorgerin in der Gegend zwischen kleineren Wohnbauten, Gartensiedlungen und Häusern. Mittlerweile begrüßt Mixner zahl- reiche Stammkunden auf ihrer 120 m² großen Verkaufsfläche: „Und es werden laufend mehr.“ Wocheneinkauf. Zwar bleibt die Mixnerei ein Spezialitätenladen: „Es geht mir nicht um die Spanne, Sortimentsfülle oder um den bil- ligsten Preis. Meine Kunden kommen, weil sie meinem Qualitätsanspruch vertrauen.“ Den- noch müsse ein Wocheneinkauf möglich sein, erklärt die Unternehmerin. Im Sortiment sind laut Mixner alle notwendigen Produkte enthal- ten: „Angefangen bei Bio-Obst und Gemüse, Feinkost, Bio-Spezialitäten über Einge- machtes, Mopro, Drogerieartikel, Grußkar- ten und Geschenkartikel. Ein Besuch im Supermarkt ist nicht nötig.“ Vor allem ösu- terreichische Produzenten will Mixner ver- treten sehen – aber: „Das braucht Augen- maß. Zum Beispiel gibt es wahnsinnig guten französischen Käse. Immerhin habe ich einen Eröffnung auf ehemaliger Konsum-Fläche Das Comeback der Greißler → Schwerpunkt: Bio und Regionalität → 120 m² Verkaufsfläche Spezialitätenladen, darauf kann ich nicht ver- zichten.“ Bedroht fühlt sich Marion Mixner dabei durch künftige Supermärkte in der Nähe nicht. „Ich kenne meine Zielgruppe. Meine Kunden wissen, was sie bei mir bekommen. Service, Beratung und Qualität. Auf einzelne Wünsche kann ich schnell reagieren. Für groo- ße Gebinde oder Getränkelieferungen bin ich auch jetzt nicht die Anlaufstelle und das möchte ich auch nicht sein.“ In Zukunft will die Unternehmerin ihre Fleischtheke ausbauen, mit dem Fokus auf frisches Bio-Fleisch aus stressfreier Schlach- tung. „Ich feile noch an der Logistik, aber der Verkauf läuft langsam an und die Nachfrage ist da. Ich finde es außerdem wichtig, meine Kunden über ganzheitliche Nachhaltigkeits- themen am Laufenden zu halten.“ Die Ge- schäftsführerin bildet sich laufend über ihre Produkte und Herzensthemen weiter und will in Zukunft auch mit Informationsmate- rial aufwarten. „Mit dem Thema Müllvermei- dung bin ich gut unterwegs, meine Kunden nehmen die Tipps auch gerne an. Auch die Themen Ernährung und reale Preise möchte ich in Zukunft verstärkt angehen.“ Nicht zuletzt wegen des enorm höheren Arbeitsaufwands durch die Pandemie möchte Mixner demnächst eine Mitarbei- terin einstellen: „Ich habe eine gemütliche Sitzecke mit Bücherregal, da möchte ich künftig auch Frühstück anbieten. Alleine ist das aber nicht machbar.“ Geschäftsführerin Marion Mixner Ein neuer Greißler mit 120 m 2 im Westen Wiens. TEXT: LISA WEBER 48 | REGAL 1-2021Next >