< Previous„Die rot-weiß-roten Molkereien bleiben im Krisen-Modus. Nach den Corona-Jahren hat nun der Ukraine- Konflikt seine Auswir- kungen. Im Gespräch mit dem Handel domi- nieren Preisanpas- sungs-Themen.“ MOPRO MAG. HERBERT SCHNEEWEISS Redaktion REGAL REGAL SCHWERPUNKT Mopro schafft die Trotz steigender Rohstoff-Preise, trotz Teuerungen beim Pasteurisieren: Die Mopro-Firmen lancieren tolle Innovationen und damit Umsatz-Knüller für den POS. 180 | REGAL 03-2022MOLKEREIPRODUKTE Krise! 03-2022 REGAL | 181REGAL: Zum Start ein Blick zurück: Wie schaut Ihr Resümee für das Jahr 2021 aus? ANDREAS GASTEIGER: Durch den Lock- down im ersten Quartal ist uns sofort das ge- samte GV- und Gastro-Geschäft weggebro- chen. Unter dem Strich sind wir nach den ersten drei Monaten zehn Millionen Euro hinter Plan gewesen. Aber: Wir haben das in den restlichen Monaten des Jahres sehr gut kompensiert und sind am Ende umsatzmä- ßig sehr stark gewachsen. 229 Millionen Euro kam die SalzburgMilch auf einen Umsatz von 2020, wo sind Sie 2021 angekommen. Wir konnten starke 245 Millionen Euro er- wirtschaften. REGAL-Interview mit GF Andreas Gasteiger Spezial-Milch als Schlüssel → 60 Prozent Spezial-Milch im Portfolio → Investitionsvolumen pendelt sich zwischen acht und zehn Millionen Euro ein Die aktuelle Situation ist kompetitiv. Wie konnten Sie die ersten Monate des Jahres absolvieren? Wir sind in den ersten beiden Monaten gut gestartet. Wir erfüllen unsere Planvorgaben. Insgesamt haben wir uns ein Plus von zehn Prozent vorgenommen. Und dennoch: Wir kommen nicht mehr heraus aus der Krise. Wir sind in einem Hamsterrad. Wir sind ge- trieben von der politischen und weltwirt- schaftlichen Situation. Mit einer drückenden Kostensituation auf allen Ebenen. Die Corona-Jahre waren bereits herausfor- dernd, aber 2022 dürfte eine noch weitaus größere Herausforderung darstellen. Wer von der Milch lebt, braucht eine entsprechende Abgeltung. Deshalb braucht es eine scharfe Rechnung. Wir haben diese Preisthematiken unserer Bauern, unserer Lieferanten und un- seren Zulieferer auf der einen Seite, sowie unsere eigene Kostensituation, die durch die Krisensituation in der Ukraine nochmals an- gefacht geworden ist. Und es bleibt die Frage nach der Reaktion der Konsumenten. INTERVIEW: HERBERT SCHNEEWEIß GF Andreas Gasteiger Milchsorten im Reper- toire und damit haben wir den Plafond erreicht. 14 MOLKEREIPRODUKTE 182 | REGAL 03-2022MOLKEREIPRODUKTE Und der Kaufkraft? Die Frage wird sein, wo sparen die Konsu- menten? Es ist dann auch zu befürchten, dass auch bei den Lebensmitteln gekürzt wird und die Schere Richtung Handelsmarken so- wie Eigenmarken aufgeht. Wenn wir uns die Spotmärkte ansehen, müssten die Milchauszahlungspreise trotz- dem nicht deutlich steigen? Die Spotmärkte spielen verrückt, was das Milchpreisgefüge angeht. Und ja, wenn wir diese Zahlen umrechnen, dann ergäben sich Auszahlungspreise von 55 bis 56 Cent. Das wären Steigerungen um 25 Prozent. Das ließe sich im Handel nicht unterbekommen. Aber dennoch ist es so, dass wir gerade erst die letzte Preisrunde abgeschlossen haben, aber es heuer nicht die letzte gewesen ist. Werden da andere Verwertungsschienen nicht gleich interessanter? In den Versand zu gehen, wäre damit interes- sant, aber das ist nicht unser Ansatz. Leiden die Innovationen unter den vielen Preisgesprächen mit dem Handel? Es stimmt, wir haben im Dessert- und Käse- Bereich Innovationen in der Schublade, sind aber vor allem mit Preisgesprächen beschäf- tigt und warten noch ab. Gibt es noch echte Innovationen? Wenn wir ehrlich sind, gibt es revolutionäre Dinge kaum noch. Es geht um neue Zutaten, um Facelifting. Wenn wir uns die Entwicklung von Bio- und Spezialmilchen im Allgemeinen ansehen, dann muss es die SalzburgMilch beruhigen. Wir orientieren uns stets an der Nachfrage. Und wir haben natürlich gesehen, dass Bio auch in der Pandemie gewachsen ist. Und das sogar im zweistelligen Bereich. Wir ha- ben die Gunst der Stunde genutzt und diese Bereiche auch ausgebaut. „Besser Bio“ hat sich super etabliert und wir sehen hier ein Wachstum im zweistelligen Bereich. Wie hoch ist derzeit der Spezial- milch-Anteil? Wir sind mittlerweile auf 60 Pro- zent hinaufgeschnellt, weil wir neue Bio-Milch dazubekom- men haben. Aus an das Bun- desland direkt angrenzen- den Gebieten wurden 1,5 Millionen Liter lukriert. Darüber hinaus haben bei uns 27 Lieferanten auf Bio umgestellt. Das ergab weitere 2,5 Mil- lionen Liter. Wie viele Milch-Sorten haben Sie im Repertoire? Wir verarbeiten und vermarkten 14 Milch- sorten, in Marke oder gehobener Eigenmar- ken. Das ist ein erheblicher Aufwand und wir haben mit der geplanten 15. Variante in den nächsten Monaten den Plafond erreicht. Wie viel Milchmenge steht insgesamt zur Verfügung? Wir sind zuletzt bei 295 Millionen Kilo- gramm angekommen. Insgesamt halten wir dabei bei 2.400 Lieferanten. Die SalzburgMilch hat mit einer Naturland- Zertifizierung für Furore gesorgt. Was sind die Hintergründe? In Österreich geben die Handelsmarken das Bio-Tempo an. In Deutschland gibt es dage- gen Verbandsware also Bioland, Naturland oder Demeter. Verschiedene Handelsbetrie- be haben sich dabei mit verschiedenen Ver- bänden arrangiert. Wir arbeiten in Deutsch- land sehr gut mit der Rewe zusammen, die auf Naturland-Verbandsware setzt. Deshalb haben wir versucht uns hier ebenfalls zerti- fizieren zu lassen. Die Verhandlungen haben über drei Jahre gedauert, weil es doch ein Unikum ist, dass ein deutscher Verband ein österreichisches Unternehmen aufnimmt. Aber Naturland forciert gerade die klein- strukturierte Landwirtschaft und so haben wir es geschafft aufgenommen zu werden. Wichtige Eckpunkte für eine Zertifizierung sind eigene Futtermittel oder auch Tierwohl sowie anderer Parameter, die auch überprüft werden. Wie wichtig ist das Exportland Deutschland? Das ist für uns wie ein Heimmarkt. Ungefähr 30 Prozent des Export-Umsatzes machen wir in Deutschland, wobei wir mit all unseren Produkten unterwegs sind, vor allem auch Bio- und Bio-Heumilch-Artikel. Deutschland ist im Export sicher der Wachstumsmotor. Wir bringen unseren Urlaubsgästen wiederum Salzburg in den Kühl- schrank. Wie hoch ist der Exportanteil? Wir liegen mittlerweile bei 48 Prozent. Welche Länder sind für die SalzburgMilch interessant? Wir sind nicht der klassische H- Milch-Produzent, dafür sind an- dere zuständig. Wir haben Zypern, → Salzburg- Milch Umsatz: 245 Millionen Euro 2021 Milchmenge: 295 Millionen Kilogramm 2.400 Lieferanten Spezialmilch-Anteil 60 Prozent Export- anteil: 48 Prozent Quelle: SalzburgMilch 03-2022 REGAL | 183MOLKEREIPRODUKTE Italien, Deutschland im Fokus und Kroatien neu erschlossen. Aber auch China und Südkorea sind wichtige Märkte, wobei wir hier mit Bio-H-Milch oder H-Milch punkten. Hier könnten wir mehr machen, aber wir machen nicht bei jedem Preis mit. Kleinere Mengen gehen auch in die Niederlanden oder Skandinavien, aber das sind logistische Herausforderungen. In Zypern spüren wir jetzt nach der Pande- mie wieder einen Hype. In Italien hat die Kaufkraft nachgelassen. Die SalzburgMilch hatte mit einer Cyber-At- tacke im letzten Jahr zu kämpfen. Ein völlig neues Gefahren-Szenario? Dabei handelte es sich um einen Cyber-Ge- waltakt, der an die Substanz des Unterneh- mens gehen hätte können. Hier ist aber in- nerhalb der Mitarbeiterschaft ein so enormer Drive entstanden, dass wir diese Situation nach sieben Tagen unter Kontrolle bekom- men haben. Zum Glück hatten wir schon Vor- kehrungen getroffen, dass wir auf Handebe- ne die Produktion weiter vorantreiben konn- ten. Aber die gesamte Automatisierung im Hochregallager ist gestanden. Wir haben nun neue Sicherheitslinien eingezogen und ein Sonderbudget von 1,5 Millionen Euro für die Cyber-Abwehr parat gestellt. Wir haben uns die Syste- me so gut wie möglich getrennt und einen bildlich gesprochen hohen Zaun um die Schnittstel- len gezogen, damit sich der An- greifer schwerer tut. Einen hun- dertprozentigen Schutz gibt es nicht. Wie hoch wird das Investitionsvolumen 2022 sein? Wir werden heuer zwischen acht und zehn Millionen Euro liegen und uns Infrastruktur- Maßnahmen genau ansehen. In jedem Fall sind wir froh, dass die SalzburgMilch antizy- klisch und stetig ihre Hausaufgaben gemacht hat. Heuer wäre eine Eine-Million-Investition von gestern schon 1,3 Millionen Euro schwer. Der Kostendruck ist auch hier enorm. Zuletzt sorgte die mögliche Fusions-Mel- dung zwischen der SalzburgMilch und der Gmundner Molkerei für Aufsehen. Ist jetzt in der Krise der richtige Zeitpunkt dafür? Wir müssen uns vom Insel-Denken lösen und weiter und größer denken. Es ist für mich der richtige Zeitpunkt. Man muss gerade in ei- nem Krisen-Jahr für die Zukunft planen. Es gibt aktuell eine gute Gesprächskultur auf genossenschaftlicher Ebene und einen straf- fen Zeitplan, wo gewisse Themen auf der bäu- erlichen, genossenschaftlichen Ebene zu dis- kutieren sind. Da meine ich die Struktur der Genossenschaft genauso wie eine mögliche Milchsammlung. Das wird in den nächsten Wochen analysiert und braucht sowohl eine BWB-Zustimmung als auch eine Zustim- mung der Generalversammlungen. Wo sind die Hebel für eine Synergie? Es gibt wie Sie wissen das gleiche Einzugsge- biet, was schon für eine gemeinsame Milch- sammlung interessant ist. Die SalzburgMilch könnte den Gmundner Milchbauern den Zu- gang zu Spezial-Milchen ermöglichen. Wir könnten unsere Tierwohl-Initiative auch über die Gmundner Milchlieferanten ausrol- len. Im Gegenteil dazu könnten wir neue Ex- port-Zugänge erhalten. Es ist eine Win-win- Situation. Wann können dann Überlegungen über eine Marken-Welt erfolgen? Das ist dann Teil des operativen Geschäfts, wo jeder Bereich evaluiert wird. Ich denke, dass sich für jede etablierte Marke ein ausde- finierter Geltungsbereich finden kann. Vielen Dank für das Gespräch. Emmi gewinnt Marktanteile mit Caffè Latte Über ein sehr erfolgsreiches Jahr 2021 freut sich Emmi Geschäftsführer Thomas Heller. „Emmi Caffè Latte hat weiter Marktanteile gewonnen und sich gerade auch in der Pandemie als das beliebte Pro- dukt für den „kleinen Genussmoment“ erwiesen“, skizziert er die Entwicklung und betont, dass sich der Konsument in unsicheren Zeiten wieder stark der Marke zugewendet hat. Bei der gelben Linie haben sich die Markenkonzepte Walserstolz Bergkäse und Kaltbach Höhlengereift bewährt und auch Raclette und Fondue gewinnen zunehmend an Beliebtheit. Ausblick 2022. Das heurige Jahr wird aus Hellers Sicht äußerst anspruchsvoll. „Als Schweizer Firma trifft uns neben der Kostensteigerung bei Transport, Rohstof- fen, Verpackungsmaterial und Energie vor allem auch der Wechselkurs stark“, ana- lysiert Heller. So werden Preisanpassungen im gesamten Markt unumgänglich sein. Aktuell ist der Saison-Start von Emmi Caffè Latte. Eine starke Kommunikati- onskampagne macht auf die Produktvorteile frischgebrühter Kaffee und 100% natürliche Zutaten aufmerksam. Nachhaltigkeit. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie hat sich Emmi dem netZERO 2050 Ziel verschrieben. Am Standort in Vorarlberg wird der Großteil des Energiebedarfs mittels hauseigener Photovoltaik-Anlage produziert. Die Milch für den Walserstolz Bergkäse stammt ausschließlich aus lokalen Kleinbetrieben des Großen Walsertals, die im Sommer auf den umliegenden Alpen weiden. Für Emmi Caffè Latte wird zunehmend ein höherer Anteil an Recyclingmaterialien bei der Verpackung eingesetzt. GF Thomas Heller v.l.n.r.: Andreas Gasteiger (Geschäftsführer SalzburgMilch), Leonore Gewessler (Klimaschutzministerin), Robert Leitner (Auf- sichtsratsvorsitzender SalzburgMilch) 184 | REGAL 03-2022TirolPack GmbH Schlitters Nr. 98 6262 Schlitters Tel.: +43 5288 72500 info@tirolpack.at tirolpack.at Beim Schneiden und Verpacken von Käse überlassen wir nichts dem Zufall. Zielgruppengerecht schneiden, würfeln und segmentieren wir regionale Käseprodukte. Mit modernster Technik gestalten wir nachhaltige Ver- packungslösungen und sind als Co-Packer der Partner für Sennereien und Großverbraucher. TirolPack bringt Käse in Form.MOLKEREIPRODUKTE D ie Berglandmilch plant einen Vorstoß im Bereich der Energie-Autarkie. „Wir müssen hier rasch Lösungen finden und uns von Abhängigkeiten lösen“, so Berg- landmilch-Generaldirektor DI Josef Brauns- hofer. 2022 liegt der Investitionsschwerpunkt auf Alternativ-Energien und Umwelttechno- logien. „Wir werden rund 40 Millionen Euro bereitstellen.“ Die Auswirkungen des Ukrai- ne-Konflikts sei in der Breite noch nicht ab- schätzbar. „Gas spielt derzeit noch eine wich- tige Rolle für uns.“ Und auch die Verfügbarkeit von Glas-Gebinde habe sich in den letzten Wochen leicht verschlechtert. 970 Millionen. Es warte kein einfaches Jahr 2022. „Wir rechnen mit Umsatzsteige- rungen und einer über das Gesamtjahr gese- hen sinkenden Rohmilchanlieferung.“ In den Berglandmilch Vorstoß beim Thema Energie → Umsatz liegt bei über 970 Millionen Euro → 40 Millionen Euro Investition TEXT: HERBERT SCHNEEWEIß → Bergland- milch 40 Millionen Investitionen 1.260 Millionen Kilogramm Milch verarbeitet 40 Prozent Export Quelle: Berglandmilch abgelaufenen zwölf Monaten konnte die Berg- landmilch aber eine zufriedenstellende Per- formance hinlegen. „Wir konnten die 970 Millionen-Euro-Marke übertreffen“, so Brauns- hofer weiter. Insgesamt wurden 1.260 Millio- nen Kilogramm Milch verarbeitet. Der Umstieg auf Mehrwegglas-Flaschen bei den Schärdinger Berghof Trinkmilchen ist von den Kunden „gut angenommen worden“ und auch „sonst erleben wir eine steigende Ak- zeptanz bei den Mehrwegglas-Verpackungs- formen.“ So werden seit 2021 erstmalig auch Joghurts im Mehrweg-Pfandglas angeboten. 40 Prozent Export. Eine große Bedeu- tung hat nach wie vor der Export. „Wir kom- men auf einen Auslandsgeschäftsanteil von rund 40 Prozent.“ Die Schwerpunkte liegen im Käsebereich und bei Milchmischgeträn- ken. „Neben Europa und den Fernen Osten spielen auch Nord- und Südamerika eine ent- sprechende Rolle.“ Produktseitig wird ab April 2022 das Schär- dinger Greek Style Joghurt Sunny Side up – Vanille/Erdbeere im 200-Gramm-Premium- glas, Schärdinger Premium Dessert Crèmen Schoko & Vanille und eine neue Sorte Lattella, Lattella 100 Prozent pflanzlich Maracuja, in Stellung gebracht. GD DI Josef Braunshofer 186 | REGAL 03-2022BERG BAUER Lebensmittel GmbH | Rupert-Hagleitner-Straße 5-7, A-6300 Wörgl | +43 5332 76016 | info@bergbauer.at | www.bergbauer.at ZITRONEN PFEFFER-KÄSE mit Almblüten Aromatisch Aus 100% reiner Bergmilch. BB_Inserat_Zitronenpfefferkäse_DRUCK_160322.indd 116.03.22 09:23MOLKEREIPRODUKTE REGAL: Die österreichischen Molke- reien verbleiben im Krisen-Modus. Was erwarten Sie für ein Jahr 2022? HELMUT PETSCHAR: Es wird ein sehr schwieriges Jahr, vielleicht das schwierigste der Geschichte. Die Co- rona-Krise ist noch nicht verdaut, der Ukraine-Konflikt macht neue Bedro- hungsfelder auf. Mit welchen Auswirkungen ist zu rechnen? Das wird vielfältig sein. Meines Wis- sens brauchen alle europäischen Mol- kereien Gas für ihre Produktion. Das ist ein wichtiger Faktor, da die Frage bleibt, was passiert, wenn der Gashahn abgedreht hat. Aber das geht noch viel weiter: Bleiben ukrainische Erntehel- fer aus, dann wird sich das bei den Fruchtzubereitungen niederschlagen. Und fällt die Getreidekammer Ukraine als weltweiter Versorger aus, dann treibt das auch in Österreich die Kos- ten für Futtermittel in die Höhe. Gibt es auch Direktlieferanten in die Ukraine? Das ist zu vernachlässigen. Hier liegen wir insgesamt bei einem Anteil im 0,-Bereich. Aber natürlich kann es zu Verschiebungen kommen, wenn zum Beispiel Deutschland seine Exporte in die Ukraine nicht mehr realisieren kann. Die Kostenspirale wurde aber bereits durch die Corona-Krise bereits in Gang gesetzt, sind die Bauern in Gefahr? Wir sehen nach wie vor einen massi- ven Abschmelzungsprozess. Wir ha- ben im letzten Jahr wieder 1.000 Milchbauern verloren und stehen derzeit bei 24.000 Landwirten. Vor allem junge Betriebe geben auf. Wir brauchen hier mit Sicherheit adäqua- te Preisanpassungen und ein Entge- genkommen im Handel. Zuletzt wurde bereits lange Monate um Preisanpassungen gerittert? Aber nicht vollständig umgesetzt. Handel und Industrie unterhalten sich vorwiegend um Preise, Innova- tionen geraten in den Hintergrund. Welche Milchauszahlungspreise wä- ren notwendig, um eine Kostenvollde- ckung bei den Bauern zu er reichen? Wenn wir von einer Volldeckung der Kosten sprechen, dann bräuchten die Landwirte nicht ein bis zwei Cent, sondern wohl zehn bis 15 Cent mehr. Das wäre die Realität, die sich wohl nicht in den Regalen abbilden lässt. Also müsste der Handel reagieren? Ich denke, der Handel müsste seine Spannen auf die aktuelle Entwick- lung anpassen. Das wird auch bei den Handelsmarken so sein müssen, dass hier die Aufschläge von 50, 60 oder 80 Prozent nicht mehr realistisch sind. Was kann die Molkerei selbst tun? Wir befinden uns in der Sandwich- Position. Wir versuchen den Bauern entgegenzukommen, die Milch- preise, wann immer es geht, nachzu- schärfen und in die Vorleistung zu gehen. Auch wenn wir selbst, zum Beispiel von den Energie-Kosten, Lo- REGAL-Interview mit VÖM-Präsidenten Direktor Helmut Petschar 2022 wird das schwierigste Jahr → EGTs der Molkereien liegen zwischen 0,5 und 1,5 Prozent → Exportanteil macht mehr als 50 Prozent aus INTERVIEW: HERBERT SCHNEEWEIß VÖM-Präsidenten Direktor Helmut Petschar 188 | REGAL 03-2022MOLKEREIPRODUKTE gistik- und damit Milchsammel-Kos- ten oder Verpackungsmaterialien in- tensiv von Kostensteigerungen betrof- fen sind. Und auf der anderen Seite der Handel Preisanpassungen in der notwendigen Form kaum zulässt. Es gibt eine Angst vor einer Über- schreitung der Preisschwellen? Wir müssen der Realität ins Auge bli- cken. Die Lebensmittelausgaben sind in Österreich und auch in Deutsch- land auf ein Minium von elf Prozent gesunken. Der Konsument wird hier moderate Erhöhungen hinnehmen müssen, wenn er weiter österreichi- sche Produktion in der derzeitigen Qualität haben will. Aber ja, es gibt die Frage, worauf der Kunde greift, wenn es zu massiveren Preissteige- rungen kommt. Bleiben dann Premium-Artikel in den Regalen stehen? Nein, wir haben zur Corona-Zeit schon erlebt, dass es nicht Bio und auch nicht Regionalität ist, die nicht mehr gekauft werden. Es wird mögli- cherweise konzentrierter eingekauft und in den Mengen spürbar sein. Die EGTs der österreichischen Molkereien sind seit mehr als 15 Jah- ren alarmierend? Das hat sich auch mit 2021 nicht ver- ändert, wir liegen hier weiter bei ei- nem Anteil zwischen 0,5 und 1,5 Pro- zent und damit deutlich unter der In- flationsgrenze. Ein Investitionshemmnis? Ich würde nicht von einem Investiti- onsstau reden, aber die Molkereien haben in den letzten Jahren nur das Notwendigste investiert. In den letzten Jahrzehnten war in Österreich ein Konzentrationspro- zess bei den Molkereien zu bemer- ken. Auch jetzt ist wieder eine Fusi- on ante portas, hat das auch mit der aktuellen Situation zu tun? Natürlich geht es auch darum, mög- liche Doppelgleisigkeiten einzustel- len und Kosten zu sparen. Und trotz- dem, trotz aller Fusionen gehören wir in Österreich noch europaweit zu den Zwergen. Müller Milch verarbeitet auf einem Standort mehr als Öster- reich insgesamt. Was bedeutet das für den Handel, wenn auf der Gegenseite mögliche Partner ausgehen? Der Handel hat es in der Hand. Wenn er Regionalität will, braucht es auch regionale Partner. Ich denke nicht, dass es in unserem Fall so wäre, dass ein großer Player die Milch auch im Gailtal oder Lesachtal abholen würde. Wie haben sich die Exporte der Austro-Molkereien entwickelt? Hier gibt es nach wie vor positive Meldungen. Wir liegen bei einem An- teil von über 50 Prozent. Wir sind in über 100 Ländern unterwegs und Deutschland ist nach wie vor das wichtigste Exportland. Dennoch trüben in Deutschland festgesetzte Haltungsformen und Kennzeichnungen Österreichs Wolken ein, Stichwort: Kombinati- onshaltung? Die österreichische Milchwirtschaft ist in vielen Punkten weiter als in an- deren Ländern. Gentechnik- oder Gly- phosatfreiheit, AMA-Gütesiegel oder Antibiotika-Monitoring. Bei der Kom- binationshaltung haben wir in der Al- penregion einen anderen Ansatz. Es ist einfach unmöglich, dass ein Bauer im Lesachtal bei zwei Meter Schnee seine Tiere auf die Alm lässt. Hier sind wir im regen Austausch und Kontakt mit der ITW Deutschland und haben mit der AMA ein entsprechendes gu- tes System formuliert, dass wir bereits am Berliner Milchforum in einigen Wochen diskutieren wollen. Danke für das Interview. RollAMA: Mopro-Knick fällt marginal aus D ie Rekord-Marken aus dem Jahr 2020 sind eingemeißelt: 1,983 Milliarden Euro setzte der LEH mit Milch und Milchprodukte um. Ein Schub um 12,1 Prozent. Men- genmäßig ging es um 9,2 Prozent auf 646.704 Tonnen hinauf. Nun liegen die RollAMA-Daten für 2021 vor. Der „Nach-Corona-Knick“ erreichte die Warengruppe, fiel aber nicht so intensiv wie erwartet aus. In der Menge gab es eine Delle um 0,7 Prozent auf 642.346 Tonnen, der Umsatz gab um 1,5 Prozent auf 1,952 Milliarden Euro nach. Ein Blick in den einzelnen Segmenten zeigt: Am gravierendsten ist der Abfall bei gelben Fetten inklusive Butterschmalz. Die Kategorie gab im Wert um 5,4 Prozent nach und ist mittlerweile 223 Millionen Euro schwer. Die weiße Palette verliert ebenfalls: Minus 3,4 Prozent auf 636 Millionen Euro. Die Mega-Kategorie Käse pendelt sich nahe der Corona-Rekordwerte ein und kommt auf 786 Millionen Euro ein (– 0,4 Prozent). Die bunte Palette kann nach dem 12,1-Prozent-Plus im Jahr 2020 nun wieder zulegen. Ein Plus von 2,8 Prozent bauscht den Kuchen auf 306 Millionen Euro auf. Quelle: RollAMA/AMA-Marketing, Feldarbeit: GfK Austria/Auswertung: KeyQuest Marktforschung 03-2022 REGAL | 189Next >