Text: Lisa Weber
Adeg Vorzeigemarkt in der Steiermark: REGAL-Interview über grüne Ideen.
Grüner Pionier
Adeg Kaufmann Gernot Piber zieht nach strapaziösen zehn Monaten Umbauzeit Bilanz zu seinem kürzlich eröffneten Markt im Murtal. Zentral: Grünes Energiekonzept, Ressourcenschonung und E-Ladestationen.
REGAL: Herr Piber, da Ihr Markt nun fertiggestellt wurde, wie geht es Ihnen?
Gernot Piber: Ich war am Rande meiner Grenzen. Seit Jänner sehe ich Luft und kann mich jetzt auf meinen ersten Urlaub seit langem freuen.
Wo lagen die Schwierigkeiten?
Zum einen beim Energiekonzept. Das war für alle Handwerker etwas absolut Neues. Der Plan wurde mehrmals während der Bauphase umgeschrieben. Das alte Gebäude und Corona brachten einige Überraschungen mit sich. Im Endeffekt haben wir fast doppelt so lange gebraucht, wie geplant war.
Was ist bietet der neue Markt?
Wir sind zu 57 Prozent autark mit unserer Stromerzeugung. Unsere bestehende PV-Anlage wurde durch Solar-Carports erweitert, ein Batteriespeicher und E-Ladestationen wurden installiert. Ich kann durch ein intelligentes Lastmanagement genau beobachten, wann und wo mein Strom verbraucht wird. In dieser Sekunde sehe ich zum Beispiel, ob jemand eine meiner Ladestationen für sein E-Auto nutzt. Der Markt ist modernstens ausgestattet, ein gelungener Adeg-Vorzeigemarkt. Wir arbeiten mit Wärmerückgewinnung: Die Kühlgeräte sind kompakt in der Mitte des Geschäfts platziert, um durch kurze Leitungswege zum Technikraum hohe Effizienz zu schaffen.
Das klingt nach einer mächtigen Investition.
1,42 Millionen Euro. 13 Förderungen brachten finanzielle Hilfe – mein eigener Anteil war dennoch sehr hoch.
Den Strom für Ihre Ladestationen bieten Sie momentan noch kostenfrei an?
So ist es. Aber sehr bald wird es etwas kosten. Ich verhandle gerade mit verschiedenen Abrechnungsplattformen. Bei mir soll dann nicht nach Minute, sondern fair nach kWh abgerechnet werden.
Ist der Umbau für Sie damit abgeschlossen?
Noch nicht ganz. Mein Plan ist etwa 80-prozentige Autarkie. Als nächstes möchte ich – wie bei Tesla – eine 24/7-Ladelounge anbieten, mit Kaffeebereich, Sitzmöglichkeiten und Wifi. 2022 wird das gesamte Satteldach saniert und mit einer Photovoltaik-in-Dach Anlage verbaut. Weitere Supercharger sollen kommen. Das ist mitunter der schwierigste Schritt, weil ein hoher Stromanschluss nötig ist. Das ist sehr kostenintensiv.
Woher kommen die Ideen?
Ein großes Vorbild für mich ist der Ladepark Hilden in Deutschland. Ein Bäckermeister, der seine Chance in E-Ladestationen gesehen, hat betreibt nun den größten Ladepark Deutschlands. Bei mir sollen Kunden ihre Ladeweile produktiv nutzen können. Wir bieten hierzu eine gute Infrastruktur: einen Supermarkt mit breitem Sortiment, einen Bäcker und Konditor, Natur, einen kleinen Freizeitpark, Outdoor-Sitzmöglichkeiten und leistungsstarke Hypercharger.
Bis vor Ihrem Umbau waren Sie noch Spar-Kaufmann. Weshalb der Umstieg?
Meine Eltern waren bereits Adeg-Kaufleute. Mir gefällt die Kaufmannsfreiheit und Unterstützung bei solchen Projekten. Wir waren schnell auf einem grünen Zweig, was Förderung und Infrastruktur betrifft. Das neue Ladenbaukonzept der Adeg ist sehr attraktiv und hat sich gut in meinen bestehenden Markt einfügen lassen. Spar war nicht glücklich über meine Entscheidung, aber es war eine strategische.
Wie haben die Kunden die Änderung angenommen?
Ich habe 70 Prozent Stammkunden. Anfangs verlief der Umstieg auf die Jö-Karte zögerlich, mittlerweile verwenden aber 57 Prozent der Kunden eine. Nach vier Monaten war ich auf dem Umsatzniveau von zuvor. Geplante weitere 15 Prozent sind wegen des ausgefallenen Wintertourismus noch nicht möglich gewesen.
Was raten Sie Kaufleuten, die grüner werden wollen?
Es müssen nicht sofort so weitreichende Maßnahmen gesetzt werden. Im ersten Schritt kann der Stromanbieter gecheckt werden. Es gibt genug Anbieter, die 100 Prozent Ökostrom erzeugen. Der Umstieg ist einfach. Im nächsten Schritt kann über eine PV-Anlage nachgedacht werden, das muss gar nicht in Richtung Speicher gehen: Die Stromlast durch Kühlmöbel ist ohnehin sehr hoch. Die nächste Stufe wäre für mich dann eine angepasste Ladeinfrastruktur. Wenn keine Unterstützung vom Konzern kommt, ist der ÖAMTC eine mögliche Anlaufstelle. Die teuerste Investition ist dann ein Batteriespeicher für den erzeugten Strom. Der kann sich auszahlen: Damit ist das Geschäft auch notstromfähig.
Ist durch Ihren Markt nun genug Erfahrung vorhanden, um solche Konzepte schneller umzusetzen?
Der Wunsch muss von den Kaufleuten selbst kommen. Aber immer wieder bekomme ich Anfragen, sich den Markt anzusehen. Das Interesse ist groß. Natürlich hat jeder Standort (gerade, was Lastspitzen und Netzanschluss betrifft) andere Anforderungen und Möglichkeiten. Mein Markt hat jedenfalls etwas ins Rollen gebracht. Der Gewinn des El-Motion Awards im Jänner hat noch mehr Neugierde hervorgerufen.
Die Leute denken um.
Ich habe zumindest einige Manager hellhörig gemacht. E-Mobilität wächst monatlich zweistellig. Auch im Ort gibt es erste Kunden, sich ein E-Auto bestellt haben. Zwei meiner Mitarbeiterinnen fahren bereits elektrisch.
Und der Kaufmann mit Ladestation wird profitieren?
Wir müssen über Zusatzverdienste nachdenken. Ich habe einen 800 m²-Markt und bereits 40 Prozent Non-Food-Anteil mit 120 Lieferanten. Das ist mein Spannenbringer. Wenn Kunden nun bei mir laden und gleichzeitig einkaufen gehen, profitiere ich. Mein Durchschnittseinkauf pro Kunde liegt über 30 Euro.
Spiegelt sich die Nachhaltigkeit auch im Sortiment wider?
Ich habe im Geschäft eine große Bauernecke mit etwa 25 Lieferanten aus der Umgebung. Das sind Eier, Fleisch, Wurst, Schinken, alles aus der Region. Ansonsten habe ich auch einige aus der südlichen Steiermark. Die näheren Lieferanten machen etwa zehn Prozent aus.
Was halten Sie von Digitalisierung?
Unumgänglich. Ich habe 22 Angestellte, davon nur noch eine Ganztageskraft. Seit zwei Jahren sind wir komplett digital, einige Mitarbeiter haben Laptops und machen die Personaleinsatzplanung zu Hause. Unsere Buchhaltung und das Bestellwesen sind komplett papierlos, alle können auf die Cloud zugreifen. Anders lässt sich das nicht managen. Ich denke auch, dass Teilzeitkräfte die Zukunft sind. Mit mehr Team-Mitgliedern sind wir besser gerüstet für etwaige Ausfälle.
Das Um- und Auf ist eine gute Struktur.
Der Zufall bevorzugt den vorbereiteten Geist – es ist eine Zeit des Wandels und man weiß oft nicht, ob Ideen aufgehen. Solange ein zeitgemäßes System und Vorbereitung da sind, ist vieles machbar.
Vielen Dank für das Gespräch!