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Mag. Marcel Haraszti, REWE Vorstand

Text: Herbert Schneeweiß

REGAL-Gespräch mit Rewe-Vorstand Mag. Marcel Haraszti

Rewe-Chef Haraszti: Das Interview

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  • Rewe landet mit Billa Corso am Flughafen
  • Mehr Mitspracherecht für Regionaldirektoren

REGAL: Eine neue Ära im LEH beginnt, Führungswechsel im LEH: Anfang des Jahres haben sich die Gazetten rege über die Marktanteilssituation im LEH ausgetauscht. Sie haben in den letzten Jahren signalisiert, dass Ihnen die Marktanteile schlicht egal sind, dass Sie sich an anderen Ziffern orientieren.
Haraszti:
Wir wollen und wollten uns von Trash-Marktanteilen trennen. Natürlich gibt es einige Hebel, die den Marktanteil rasch in Bewegung bringen. Aber wir wollen keine Waschmaschinen zum halben Preis anbieten. Wir brauchen keine Aktionsanteile, die an die 60-Prozent-Marke gehen. Unsere Währung ist eine andere. Wir wachsen bei den Kurant-Umsätzen und im ersten Halbjahr 2021 deutlicher als der Mitbewerb. Das ist auch künftig unser Weg.

Ein Weg, der auch von der deutschen Konzern-Mutter mitgetragen wird?
Unsere DNA ist zutiefst genossenschaftlich. Wir haben ein langfristiges Commitment und denken über Jahrzehnte. Da ist kein Platz für einen effekthaschenden kurzfristigen Marktanteils-Erfolg.

Zwölf Prozent beträgt der Aktionsanteil in Deutschland, zwischen 30 und 40 Prozent in Österreich. Wo liegt Ihrer Meinung nach der gesunde Bereich?
Der liegt bei rund 25 Prozent. Wir sind am Weg, den Aktionsanteil zu reduzieren und gehen konsequent in diese Richtung. Wir bauen pro Jahr ein Prozent Aktionsanteil ab und haben beispielsweise die Warengruppenrabatte abgeschafft. Das ist ein mühsamer, steiniger Weg, der zwar Marktanteile kostet, aber uns ein vernünftiges Kurant-Niveau bringt.

Bei Ihrem Rewe-Antritt haben Sie gemeint, Sie sind gekommen, um zu bleiben und haben sofort gestartet, die Rewe personell und organisatorisch kräftig umzubauen. Gibt es den großen Plan in der Schublade?
Natürlich habe ich zusammen mit meinem Billa-Vorstand einen Mehrjahresplan entwickelt, den wir beharrlich umsetzen. Es ging darum, Prozesse zu optimieren und die Marken zusammenzuführen. Wir müssen noch klarer zum Kunden hin werden und schneller Richtung Industrie sein. Und wir müssen uns noch dezentraler aufstellen. Unsere sieben neuen Regionalzentralen beweisen das. Wobei es künftig eine größere Machtverschiebung geben wird.

Wie wird diese aussehen?
Wir werden das Mitspracherecht der Regionaldirektoren in verschiedenen Bereichen erhöhen. Ich denke an Standortentscheidungen, an Expansionsthemen.

Und im Einkauf?
Da sind wir auf einem guten Weg und schalten immer mehr Regional-Scouts auf. Die regionalen Sortimente haben 2021 schon um 20 Prozent zugelegt. Wir haben mittlerweile 2.500 regionale Lieferanten, die 25.000 Produkte anbieten. Diese Zahl steigt kontinuierlich in jedem Bundesland, auch in Wien.

Sie haben den LEH als Stiefkind der Politik bezeichnet.
Das stimmt. Die Politik vergisst, wie viele Mitarbeiter der Handel in Österreich beschäftigt. Die Rewe Group Österreich alleine verfügt derzeit über 46.000, 1.000 sind in der Corona-Krise im letzten Jahr zu uns gestoßen. Was wir in Österreich verdienen, wird hier reinvestiert. Und dennoch gibt die Politik Null Antworten auf unsere drängendsten Fragen. Es braucht Rahmenbedingungen. Die Politik muss sich die Themen Lohnnebenkosten, Erleichterungen bei Steuern, Öffnungszeiten und auch die Zustellproblematik näher ansehen. Es muss möglich sein, dass wir auch am Sonntag liefern dürfen.

Sie sprechen das Online-Geschäft an, ist eine Rentabilität absehbar?
Ich war lange Zeit der Meinung, dass der Online-Bereich stets einstellig bleiben wird, aber mittlerweile zeigen die Kurven klar in eine andere Richtung. Die zweistellige Marke wird übertroffen werden. Die Marktkapitalisierung im Bereich der Lebensmittel-Schnelllieferdienste ist enorm. Da wird sich noch einiges tun. Das Online-Geschäft ist ein relevanter Vertriebskanal.

Sie haben vom stetigen Investitionstempo gesprochen. Rewe will auch heuer wieder zwischen 300 und 350 Millionen Euro investieren. Wie schaut die Expansions-Schlagzahl aus?
Wir nehmen uns 30 bis 35 neue Standorte im Jahr vor. Das Hauptaugenmerk wird bei Billa und Flächen von 1.000 bis 1.500 m² liegen. Darüber hinaus wollen wir auch pro Jahr zwei bis drei Billa Plus realisieren, die über 1.500 m² Verkaufsfläche liegen. Bis 2025 wollen wir 200 Umbauten und 100 Neueröffnungen durchführen.

Wo liegt die durchschnittliche Billa-Fläche aktuell?
Bei rund 600 m2.

Vor Jahren gab es, eingedenk des wachsenden Online-Geschäfts, die Idee, überhaupt auf kleinere Märkte zu setzen, weil prognostiziert wurde, dass Teile des Trockensortiments online abgebildet werden würden.
Diese Diskussionen gibt es immer, aber wir benötigen die erweiterten Flächen, um die Frische-Kompetenz besser darstellen zu können. Fleisch in Bedienung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor geworden und auch für boomende Segmente wie vegan oder Bio brauchen wir Raum.

Wie sind Sie mit der Integration von Merkur unter das Billa-Dach zufrieden?
Wir sind sehr zufrieden. Es gibt keine Parallel-Sortimente mehr, die Kundenansprache ist direkter und dank Jö auch individueller geworden. Wir haben jetzt ein Baukasten-System, wo wir mit unseren Sortimenten die Fläche von 250 m² bis 4.000 m² perfekt abbilden können.

Billa Box oder Ja! Natürlich Pop-up-Store: Rewe hat schon einige Formate probiert. Fällt die Regional Billa Box ebenfalls darunter?
Ja. Wir testen, was möglich ist. Grundsätzlich werden wir uns aber auf Billa, Billa Plus und Billa Corso konzentrieren. Da haben wir genug zu tun.

In Köln hat die Rewe einen Kassierer-losen Markt präsentiert.
Das ist wirklich beeindruckend. Das ist doch, was sich der Kunde wünscht. Er packt alles in den Einkaufswagen, marschiert hinaus und die Bezahlung ist ohne Wartezeit erledigt. Das sind natürlich internationale Tests, von denen wir in Österreich auch profitieren können.

Stichwort Tests: Was wird aus Drive-in und Scan&Go?
Mir gefällt die Idee des Drive-Ins, da werden wir noch weitere Realisierungen, weitere Tests sehen. Auch bei Billa Plus kann ich mir dieses Tool gut vorstellen. Und auch bei Scan&Go werden wir die Tests ausweiten.

Sind neue Realisierungen bei Billa Corso angedacht?
Ja. Wir werden, und das freut uns besonders, 2023 in der Ankunftshalle des Flughafens Wien Schwechat einen Billa Corso eröffnen. Das wird ein Aushängeschild, wo wir unser ganzes Know-how ausspielen werden.

Wird es neue Tankstellen-Konzepte geben?
Es wird daran gearbeitet, aber es obliegt hier den Partnern, diese Überlegungen vorzustellen.

Einen großen Paukenschlag haben Sie für 2022 angekündigt. Die Billa-Kaufleute?
Wir werden die Tests dazu im nächsten Jahr starten. 

240 gebrandete Adeg-Märkte waren zuletzt am Netz, haben Sie nicht die Befürchtung, dass die Marke Adeg ausgehöhlt werden kann?
Nein, ich glaube an eine Co-Existenz. Adeg behält seine Rolle in der Ultra-Nahversorgung und Billa seine Rolle im städtischen Bereich. Wir glauben an das Kaufmannsmodell per se, da die Kaufmannspersönlichkeit rasch reagieren kann, sich zusätzliche Leistungen überlegt und damit eine höhere Marktabschöpfung erreicht.

Wird es festgesetzte Standards für diese Billa-Kaufleute geben?
Ja, natürlich wird es eine bestimmte Größe brauchen.

Und zahlenmäßig?
Dazu werden wir zu gegebener Zeit informieren, lassen Sie sich überraschen.

Wie entwickeln sich die Eigenmarken? Wie hoch ist der Anteil?
Wir haben uns zweifellos noch viel bei unseren Eigenmarken vorgenommen. Billa Bio, Ja! Natürlich oder Vega Vita. Alle Linien sind auf Ausbau getrimmt. 

Zuletzt wurde von Tageszeitungen Disputs zwischen Handel und Landwirtschaft ausgerichtet?
Ich halte nichts von Klassenkämpfen. Es ist vielmehr so, dass wir allein bei Billa agrarische Artikel im Wert von 2,5 Milliarden Euro abnehmen. Und: Nur 25 Prozent der österreichischen Milch wird im Handel abgesetzt, 60 Prozent über den Export. Wir haben also einen kleinen Hebel, was die Milchpreis-Entwicklung betrifft. 

Wie stehen Sie zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie?
Das unterstütze ich voll und ganz. Der LEH ist hier eindeutig der Vorreiter. Denken Sie nur daran, dass wir zu 100 Prozent österreichisches Fleisch vermarkten, zu 100 Prozent österreichische Milch. Hier muss die Gastronomie noch einiges aufholen.

Apropos Gastronomie, Sie haben die AGM-Schiene zuletzt veräußert, was für Aufregung in der Branche gesorgt hat.
Wir wollen uns auf unser Core Business konzentrieren. Und zur Aufregung in der Branche: Da ist vor allem ein ganz schlechter Verlierer dabei, der selbst Interesse an der Kette hatte, aber nicht das beste Angebot legte.

Vielen Dank für das Gespräch.


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