text: Verena Schneeweiß
Umbrüche: REGAL fragte im Handel und im Ministerium nach
Die Branche wappnet sich für Einwegpfand und Mehrwegquoten
- Gigantischer Umbau bei den Händlern bis 2025
- Wunsch nach Abgeltung von Mehrweg
Das Einwegpfand. Für die einen ist es ein Meilenstein, für die anderen ein Tropfen auf dem heißen Stein. Vor ziemlich genau zwei Jahren, im
November 2021, fiel der Beschluss im Nationalrat. Federführend war Umweltministerin Leonore Gewessler. Seither ist vieles passt. Die Handelslandschaft bereitet sich auf die Umstellungen vor.
Faktencheck. Vorweg ein kurzer Blick auf die Fakten: In Österreich kommen jährlich rund 300.000 Tonnen Kunststoffverpackungen auf den Markt. Rund 25 Prozent davon werden derzeit recycelt. Enthalten sind hier 50.000 Tonnen PET, wovon derzeit bereits 40.000 Tonnen gesammelt werden. Durch das Einwegpfand wird eine Mehrmenge von 6.000 bis 7.000 Tonnen erwartet. Zu wenig für den notwendigen großen Sprung, sagen kritische Stimmen. Denn das Damoklesschwert „EU Recyclingquote“ schreibt ab dem Jahr 2025 eine Quote bei Kunststoffverpackungen von 50 Prozent vor. Die aktuell 75.000 Tonnen müssen also auf 150.000 Tonnen anwachsen.
Diskont. So oder so: Die Würfel sind gefallen. Am 1. Jänner 2025 wollen/müssen alle bereit sein. Einer, der hier am meisten aufzuholen hat, ist der Diskont. Dieser zieht nun mit einem Schlag gleich in zwei Bereichen nach – und macht sich für beides fit: Mehrweg und Einweg.
Lidl. Alessandro Wolf, Vorsitzender der Lidl Österreich Geschäftsführung: „Wir waren der erste Lebensmittelhändler in Österreich, der öffentlich ein Pfand auf Kunststoff-Flaschen gefordert hat. Wir freuen uns deshalb, dass unser Anliegen von der Regierung gehört wurde und es ab 2025 ein verpflichtendes Pfand auf Kunststoff- und Alu-Einweg-Getränkeverpackungen geben wird.“ Bisher wurden bei Lidl 100 Standorte mit Pfandautomaten ausgestattet, bis Jänner 2025 ziehen
die restlichen rund 150 Standorte entlang der gesetzlichen Vorgaben nach. Wolf: „Damit verbunden ist ein großer Aufwand, insbesondere was Umbauten inkl. Planung, Bewilligungen etc. betrifft – und das alles, während die Filialen im Betrieb sind.“
Hofer investiert 128 Mille. Und auch vor zahlreichen Hofer-Filialen waren in den vergangenen Monaten bauliche Veränderungen zu erkennen. Warum die Wahl für die Automaten-Errichtung insbesondere auf den Eingangsbereich fiel, erklärt das Unternehmen auf REGAL-Anfrage so: „Direktes Kundenfeedback, das wir durch Befragungen erhalten haben, hat deutlich gezeigt, dass Kunden Wert darauf legen, ihr Leergut vor dem Einkauf zurückzugeben. Aus diesem Grund haben wir unsere Pfandautomaten, soweit möglich, im Eingangsbereich platziert und in den meisten Fällen Anbauten errichtet, damit unsere Kunden nicht mit den leeren Flaschen (und ab 2025 Dosen) durch die Filiale laufen müssen.“ Insgesamt investiert Hofer in seinen Filialen 128 Millionen Euro für die Umstellung auf das neue Pfandsystem.
Rewe. Und auch die anderen Marktteilnehmer rüsten ihre Märkte sukzessive um. Die Rewe Group plant etwa, schon heuer die Hälfte der Filialen mit Rücknahmeautomaten ausgestattet zu haben. Im Jahr 2024 ziehen die restlichen 50 Prozent nach. „Unser Ziel ist, am 1.1.2025 in jedem Markt eine kundenfreundliche Lösung installiert zu haben“, sagt Robert Nagele, Billa-Vorstand und Vorstand des Trägerverein Einwegpfand. Die baulichen Anforderungen variieren stark je nach Standort. Nagele: „In kleinen Märkten werden Automaten mit etwa einem Quadratmeter Grundfläche zum Einsatz kommen. Hier sind nur kleinere bauliche Maßnahmen notwendig. In großen Märkten sind Mauerdurchbrüche oder sogar Zubauten erforderlich, um einen Automaten vorhalten zu können, der die erwarteten Rücklaufmengen stemmen kann.“ Hier kann die Anzahl dann schnell auf 30 m² Grundfläche, plus Lager- und Serviceflächen sowie Zugangsbereiche für Kunden, schnellen.
Spar. Ähnlich viel Platz wurde im kürzlich wiedereröffneten Interspar in der Wiener Sandleitengasse für das Pfand hergegeben. „Wir haben den Umbau genutzt und 36 m² zur Verfügung gestellt, um das Einweg- und Mehrwegpfand abwickeln zu können“, sagt Spar Unternehmenssprecherin Mag. Nicole Berkmann. Gerade bei großen Standorten rechne man mit einem großen Volumen an zurückgegebenen Flaschen und Dosen. Das Ziel ist wiederum klar: „Fakt ist: Wir sind dabei, alle Märkte so weit auf- und umzurüsten, dass alles für den Start des Einwegpfandes 2025 bereit ist.“ Die größte Hürde dabei: Ganz oft fehlt der nötige Platz.
Unimarkt. Einer, der das auch forciert, ist Dkfm. Andreas Haider, Eigentümer und Geschäftsführer der Uni-Gruppe. Denn mit seinen 130 Unimarkt-Standorten und rund 300 Lieferstellen ist er ein starker Nahversorger. Mit durchschnittlich wesentlich kleineren Flächengrößen und speziellen Nahversorger-Modellen, etwa Hybrid-Lösungen, sieht er sich nun mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. „Grundsätzlich hat keiner unserer Kaufleute und Filialisten eine Freude am Einwegpfand, da zu erwarten ist, dass die großen Ketten die Profiteure sein werden“, sagt Haider gegenüber REGAL. Insgesamt seien im gesamten Unigruppe-Verbund Neuinvestitionen von rund zehn Millionen Euro notwendig. „Der Kaufmann muss ins Blaue investieren.“ Denn offene Fragen gäbe es noch einige. Vom Retouren-Prozess bis hin zur Handling Fee.
Handbuch und Handling Fee. Sich diesen Fragen anzunehmen, ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeit: Mag. Monika Fiala ist Geschäftsführerin der Zentralen Stelle EWP Recycling Pfand Österreich. „Es sind spannende Zeiten“, sagt sie im REGAL-Gespräch. Erst kürzlich ging das Handbuch für Rücknehmer auf der Website recycling-pfand.at online. Hier werden die genauen Richtlinien erklärt, die Automaten erfüllen müssen. Weitere wichtige Informationen, auf die alle mit Spannung warten, sollen noch bis Jahresende verkündet werden. „Die Höhe der vorläufigen Handling Fee wird wahrscheinlich noch heuer kommuniziert. Ein wichtiger Bestandteil ist hier aber auch das Berechnungsmodell und die Prozess-Beschreibung dahinter.“ Und auch das zweite, wichtige Handbuch für Produzenten soll bald mehr Klarheit bringen. „Das große Handbuch zu den SKUs werden wir Ende des Jahres veröffentlichen.“
SB-Boxen. Auf eine Frage kann Fiala bereits jetzt Licht ins Dunkel bringen. „Reine Selbstbedienungsgeschäfte dürfen als Verkaufsautomaten eingestuft werden, das haben wir kürzlich mit dem Ministerium abgestimmt.“ Hybride Standorte müssen während der Bedienzeit zurücknehmen.
Manuelle Rücknahme. Gerade bei kleineren Standorten wird die Wahl auf eine manuelle Rücknahme fallen. Denn Ausnahmen gibt es nicht: Auch Geschäfte mit weniger als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche müssen Einweggebinde zurücknehmen. Für die Rücknahme stellt das Recycling Pfand Österreich spezielle Säcke, die mit Plomben verschlossen werden, zur Verfügung. „Nach Registrierung in unserem Portal können diese im nächsten Jahr rechtzeitig angefordert werden. Wenn die Säcke voll sind, organisieren wir die Abholung“, so Fiala. Im Hintergrund laufen die Ausschreibungen für zahlreiche Gebiete: von den Sortieranlagen bis hin zu den Marketingagenturen. „Ich gehe von einer Entscheidung im ersten Quartal aus“, sagt Fiala.
Kaufleute. Wechsel von Wien nach Pöchlarn. Dort ist KR Christian Prauchner mit seinem Eurospar angesiedelt, einer von drei Prauchner-Märkten. Als selbstständiger Kaufmann und Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich ist er nah dran am Geschehen. „Die Kaufleute haben Großteils ihre Förderansuchen erledigt und ihre Bestellungen aufgegeben“, sagt Prauchner. Auch er selbst hat die benötigten Teile bereits bestellt und hofft auf eine Lieferung im ersten Halbjahr 2024. Der Andrang ist groß, die Vorlaufzeiten sind lange.
Fördermittel gehen zur Neige. Einen großen Zulauf bestätigt auch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. „Für Rücknahmeautomaten im Lebensmitteleinzelhandel gehen die Fördermittel zur Neige. Wer noch Förderbedarf hat, möge seinen Antrag möglichst rasch auf umweltfoerderung.at einbringen“, heißt es vom Ministerium auf REGAL-Nachfrage.
Kreative Lösungen. Für Spar-Kaufmann Prauchner selbst ist es keine Mega-Umstellung, denn er selbst nimmt in seinen Standorten seit mehr als zehn Jahren Einwegflaschen zurück. Seit einem Jahr hat er dafür auch einen Kompaktor im Einsatz, der das Volumen der Flaschen verringert. Doch Prauchner gibt zu bedenken: „Jene Kaufleute, die eine räumliche Not haben, sind in der
Bredouille.“ Es brauche noch kreative Lösungen, vor allem auf Seiten der Maschinenentwickler für die Rücknahme kleinerer Einheiten.
Mehrweg. Themenwechsel. Mit etwas mehr Entspannung blickt die Handelslandschaft auf das Thema Mehrweg. „Wir haben das größte Mehrweg-Angebot im heimischen LEH und mit den Quoten kein Problem“, sagt etwa Spar-Unternehmenssprecherin Berkmann. Und auch die Rewe erweitert das Mehrweg-Sortiment in allen Produktkategorien im Getränkebereich stetig. „Wir erfüllen daher die geforderten Angebotsquoten für 2024 schon jetzt. Der Mehrweg-Absatz liegt bei etwa 22 Prozent und wir sehen, dass die Kunden aktuell Einweg eher bevorzugen“, so Billa Vorstand Nagele. Trotzdem soll die Quote bis zum Jahr 2025 auf die gesetzlich geforderten 25 Prozent angehoben werden. Ruhiger Puls auch bei Unimarkt-Chef Haider: „Mehrweg stellt für die Unimarkt- bzw. Nah & Frisch-Kaufleute kein Problem dar, da wir immer schon auf das Thema Mehrweg gesetzt haben.“
Antragsstopp. Das Klimaschutzministerium förderte den Umstieg auf Mehrweg und Pfand mit 110 Millionen. Mittlerweile musste aufgrund des hohen Zulaufs im Bereich Abfüllanlagen die Bremse gezogen werden. „Sowohl die Förderung für Mehrwegabfüllanlagen als auch für Rücknahmeautomaten für Einweg- und Mehrweggebinde im Lebensmittelhandel aus Mitteln der Europäischen Union wurde sehr gut angenommen.“ Für Abfüllanlagen wurden bereits im letzten Jahr die EU-Mittel ausgeschöpft. Anfang 2023 stellte das Ministerium zusätzlich nationale Mittel in der Höhe von 20,53 Millionen Euro bereit. „Die Nachfrage war so groß, dass mittlerweile auch hier die Annahme von Förderanträgen gestoppt werden musste“, heißt es aus dem Ministerium.
Diskont. Hofer preschte im Frühjahr letzten Jahres angebotsseitig bereits mit einem kleinen Mehrweg-Sortiment innerhalb der Eigenmarke „Zurück zum Ursprung“ vor. „Das Mehrweg-Angebot ist eine wertvolle Ergänzung für unsere Kunden. In den Hofer Filialen werden heute Artikel in Mehrweggebinden in den Bereichen Bier, Wasser, Limonade, Säfte und Milch angeboten.“ Die vorgegebenen Angebotsquoten werde man „selbstverständlich in allen Getränkekategorien erreichen“. Derzeit bietet Hofer in über 250 Filialen in ganz Österreich ein Mehrwegpfandsystem an. Bis Ende 2024 wird es in der gesamten Hofer-Flotte in Österreich ein Pfandsystem geben. „Im Rahmen dieses Roll-outs werden die Filialen ebenfalls auf das Einwegpfandsystem vorbereitet“, heißt es vom Unternehmen. Auch bei Lidl können Kunden Mehrweg-Gebinde schon bald zurückgeben. „In den knapp 100 Filialen, die bereits mit Pfandautomaten ausgestattet sind, wird es ab Ende November ein Mehrweg-Angebot geben, das man dort dann auch zurückgegen kann“, sagt Lidl Geschäftsführer Wolf.
Handling Fee für Mehrweg? Auch Spar-Kaufmann Prauchner sieht wenig Probleme darin, die Quoten zu erreichen, gibt allerdings zu bedenken: „Bisher war das Handling der Mehrweg-Artikel quasi ‚für nichts‘. Früher lag die Motivation darin, dass die Spannen bei den Mehrweg-Flaschen sehr gut waren. Heute ist es ein Arbeitsaufwand, der quasi nicht mehr zurückzuverdienen ist. Das ist das positive am Einwegpfand. Hier wird es zumindest eine kostendeckende Abgeltung geben.“ Sein Wunsch: „Eine Art Handling Fee wäre auch für die Manipulation von Mehrweggebinden im Lebensmitteleinzelhandel schön.“