text: Herbert Schneeweiß
REGAL-Interview mit Billa Vorstand Robert Nagele
Billa taucht weiter an
- 30 neue Billa und Billa Plus
- 400 Millionen Euro Investition
- Neue Frische-Drehscheibe nach St. Pölten
- Billa Corso am Flughafen Wien
- 80 neue Photovoltaik-Anlagen geplant
Die Bezeichnung auf der Visitenkarte ist schlicht und kompakt. Die Aufgabe dahinter hat Mammut-Dimensionen. Robert Nagele verantwortet als Vorstand Ressort Immobilien bei Billa ein Arbeitsfeld mit internationaler Dimension und Ausprägung. Standortentwicklung und Bau bei Billa und Billa Plus, Expansion für alle Austro-Vertriebsschienen, Energiemanagement und technischer Zentraleinkauf für Rewe International. Ebenso auf der To-do-Liste: Bestand- sowie Facility-Management für sämtliche österreichischen Vertriebsschienen und die gesamte Unternehmenssicherheit. Und als Geschäftsführer der EHA Austria Energie-Handelsgesellschaft ist Nagele darüber hinaus noch mitten drinnen im aktuellen Energie-Tsunami. Und dennoch: Das Feuer, das ihn als Billa-Vertriebschef schon ausgezeichnet hat, lodert noch. Fitter sei er geworden, lacht Nagele, einzig das obligatorische Stecktuch ist gleichgeblieben. REGAL sprach mit dem Vorstand über die aktuelle Expansions-Politik bei Billa, über politische Regulatorik, Bedeutung von Energie-Einsparungsmaßnahmen sowie wie Kreislaufwirtschaft.
REGAL: Herr Nagele, die Rewe Group will heuer 400 Millionen Euro hierzulande investieren. In Österreich soll die Flotte auf über 2.000 Standorte wachsen. Gibt es auch in den nächsten Jahren überhaupt noch Raum für Expansion?
Nagele: Diesen Raum gibt es noch. Wir haben uns aktuell allein bei Billa und Billa Plus 30 neue Projekte pro Jahr vorgenommen. Das kommt einer Netto-Expansion von 15 Geschäften jährlich gleich. Dieses Tempo wird auch in den nächsten zwei, drei Jahren mit Sicherheit unverändert bleiben. Das haben wir bereits so eingetaktet.
Mit Wien als Fokus-Markt?
Mit Sicherheit. Ein wichtiger Fokus liegt weiter auf Wien. Die Stadt wächst und wir sind hier laufend auf der Suche nach geeigneten Flächen. Niederösterreich und Steiermark sind ebenfalls Bundesländer, wo wir weiter wachsen können. Ganz zu schweigen von Westösterreich: Dort haben wir noch viel Potenzial. In den Bundesländern Tirol, Vorarlberg oder auch Salzburg ist aber auch die politische Regulatorik am schwierigsten, Verhandlungen für geeignete Standorte sind zäh. So freut es uns besonders, wenn wir Standorte wie am 30. Juni in Kufstein eröffnen können.
Wie ist die Situation für Lager-Standorte?
Widmungen sind hier besonders schwer zu bekommen. Wir sind hier laufend dabei unsere Logistik besser aufzustellen und haben in den nächsten Jahren hier auch noch einiges vor. So werden wir in Sankt Pölten eine neue Frische-Drehscheibe errichten.
Welche neuen Märkte machen Ihnen besonders große Freude?
Das ist beispielsweise der Billa Plus in der Siemensstraße, weil wir hier einen Markt mit 2.000 m² Verkaufsfläche ans Netz nehmen können. Derartig große Standorte sind zu einer Besonderheit geworden.
Gibt es eine Blaupause für den „richtigen“ Billa-Markt?
Nein. Das Modell „one size fits all“ gibt es nicht. Wir setzen bei jedem Standort auf ein maßgeschneidertes Konzept. Da werden die elementaren Fragen wie Konkurrenz-Situation, Einzugsgebiet, Einwohnerzahl genauso abgeklopft wie eine Vielzahl von weiteren nachgelagerten Kriterien, um die passende Formatgröße zu finden. Aber: Für eine vollwertige Versorgung sind Flächen unter 800 m² nur schwer möglich. Darunter wird es schwieriger ein entsprechendes Sortiment abzubilden.
Und dennoch sieht die Raumordnung in einigen Bundesländern nur Flächen bis 500 m² vor.
Da müssen wir mit dem entsprechenden Floormanagement die richtigen Sortiments-Module zusammenstellen. Hier haben wir Filter entwickelt, die uns die individuellen Kundenwünsche für jeden Markt besser beurteilen helfen. Eines ist klar: Der eingeschoßige Supermarkt als Stand alone auf der grünen Wiese ist Geschichte. Die Themen der Flächenversiegelung und des Flächenfraßs sind mittlerweile allgegenwärtig.
Neue Lebensmittelmärkte sind zu einem Reizthema in der Bevölkerung geworden.
Das stimmt. Wir sind mittlerweile beinahe bei jedem Projekt auch mit einer Bürgerliste und damit mit Widerstand konfrontiert. Es wird dementsprechend immer schwieriger, entsprechende Standorte zu entwickeln.
Eine Lösung sind Supermärkte im Verbund mit anderen Bauträgern?
Das wird der Regelfall werden, weil auf diese Weise auch die entsprechenden Widmungen leichter zu bekommen sind. Ein Beispiel ist etwa unser Projekt in der Wiener Ruckergasse.
Und neue spezielle und vor allem kleinere Vertriebsformate, für die vielleicht noch schneller Standorte zu finden sind: Gibt es hier Pläne in der Schublade?
Nein. Wir sehen für derartige Modelle derzeit keinen Realisierungszeitpunkt.
Wird das Billa Corso-Format weiterentwickelt?
Unser Ziel war in jeder Landeshauptstadt zumindest einen Corso-Markt zu haben. In Linz suchen wir weiter einen entsprechenden Standort. In Eisenstadt ist wohl kein Potenzial vorhanden. Die Umstellung des ehemaligen Merkur Marktes am Hohen Markt hat sich zudem sehr positiv ausgewirkt.
Und am Flughafen?
Es stimmt, dort wird ein Corso-Markt errichtet. Es wird aber wiederum ein ganz maßgeschneiderter Standort für den Flughafen sein, speziell für die Bedürfnisse dort und sicher kein Markt von der Stange.
Unter Billa wurde in Perchtoldsdorf 2011 ein Energiespar-Markt eröffnet. Was hat sich seither getan?
Vieles, was wir damals initiiert haben, ist jetzt Standard. Wärmerückgewinnung, Einsatz von CO₂ als Kältemittel, LED, Elektro-Tankstelle. Das wurde in hunderten Märkten weitergeführt. Erst vor kurzem haben wir im steirischen Obdach auch die Außenlagen miteinbezogen, in Altenmarkt an der Triesting setzen wir auf ein integriertes Monitoringsystem, das den gesamten Stromverbrauch des Marktes optimieren soll und verfügen dementsprechend über eine Photovoltaik-Einrichtung und einen Batteriespeicher.
Worauf wird es bei den nächsten Standorten beim Thema Energieeinsparung ankommen. Wo orten Sie noch Potenziale?
Wir müssen die teuren Last- und Energiespitzen, die in einem Markt zwangsläufig entstehen, kappen. Eigenstrom-Erzeugung ist ebenfalls ein Punkt.
Und im Bereich der Kühlmöbel, der Beleuchtung?
Jede einzelne Verbrauchsstelle, das reicht vom Kühlmöbel bis hin zu Geräten wie Kombidämpfer, muss einen effizienten Stromverbrauch aufweisen, sonst werden wir es nicht einsetzen. Die Industrie ist hier gefordert, kontinuierlich noch weitere Potenziale zu heben. Aber auch wir müssen in der gesamten Organisation jede Möglichkeit ausreizen. Alleine die Bewusstmachung der Mitarbeiter kann helfen ein bis zwei Prozent Stromkosten einzusparen.
Wie schaut Ihr Photovoltaik-Programm aus?
Wir haben derzeit 122 Anlagen am Netz. In den nächsten drei Jahren sollen jährlich 70 bis 80 weitere errichtet werden.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Strompreis-Entwicklung?
Wir haben die Strommenge im Griff, den Strompreis aber nicht. Auf den Terminmärkten zeichnet sich erst 2025 eine leichte Entspannung ab. Alarmierend ist, was gerade auf europäischer Politik-Ebene passiert, wo der Lebensmittelhandel nicht als energieintensiver Betrieb eingestuft ist. Hier muss vor allem wegen der kühlintensiven Nahversorgung noch dringend nachgebessert werden.
Setzt die Rewe bei Ihren Verarbeitungsbetrieben auch Gas ein?
Gas spielt bei der Rewe nur eine untergeordnete Rolle. Unsere Mengen sind diesbezüglich gesichert, solange unsere Lieferanten uns auch bedienen können.
Wo wäre die Politik gefordert?
Wir sind froh, dass die Politik die Energie-Abgabe für ein Jahr ausgesetzt hat. Das war auch eine unserer Forderungen. Es bräuchte aber auch eine Deckelung bei der Preise bei der OeMAG-Zuteilung.
Zurück zum Immobilien-Bereich: Wie lange müssen Märkte aktuell am Netz bleiben?
Es macht natürlich einen Unterschied, ob 900 oder 2.000 Kunden pro Tag den Markt besuchen. Die Einrichtung ist in der Regel auf 15 Jahre ausgelegt. Nach zwei Zyklen ist eine Generalsanierung, ein Um- und Neubau einzutakten.
Wie viel Prozent der bespielten Immobilien sind im Rewe-Eigentum?
20 Prozent befinden sich im Eigentum, 20 Prozent sind Superädifikate und 60 Prozent Miete.
Zum Abschluss noch zum Thema Kreislaufwirtschaft.
Wir wurden sehr gut in den Prozess eingebunden und sind in der Vorbereitung auf das per Jänner 2025 kommende Einwegpfand auf PET-Flaschen und Alu-Dosen. Zu Testzwecken haben wir in ausgewählten Märkten mit der Sammlung von leeren Getränkeverpackungen begonnen. Das ist bei Billa in der Rathausstraße, Billa Oeyenhausen und Billa Plus Wiener Neustadt der Fall. Der Kunde wird sich in jedem Fall umstellen müssen, Flaschen und Dosen dürfen zum Beispiel nicht zusammengedrückt werden. Hier sehe ich noch viel Bedarf für bewusstseinsbildende Maßnahmen und Kommunikation. Wir planen in diesem Jahr noch weitere Testmärkte, die das Recycling von PET-Flaschen und Alu-Dosen anbieten, folgen.
REGAL: Vielen Dank für das Gespräch.